Innenminister machen Terror-Alarm
Konferenz in Frankfurt am Main warnt vor Islamisten und Linken, lässt NPD aber unberührt
Die Richtung mag klar sein, über den Weg zu »mehr Staat« sind die vertretenen Parteien uneins. Die Anti-Terror-Gesetze – unter Rot-Grün beschlossen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 – sehen mehr Befugnisse für die Sicherheits- und Geheimdienstbehörden gegenüber Post, Kurierdiensten, Fluggesellschaften und Telefonunternehmen vor. Sie schufen die Grundlage für die Verwendung biometrischer Daten in Ausweispapieren.
Angeführt von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist die Union ist für die Verlängerung der Maßnahmen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und weitere FDP-Politiker fordern Mäßigung. Sie werden dabei beispielsweise vom Vertreter des rot-roten Berliner Senats unterstützt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) plädierte bereits im Vorfeld der Konferenz dafür, nur die Gesetze zu verlängern, die wirklich für die Terrorbekämpfung notwendig sind.
Die Minister nahmen einen Verfassungsschutzbericht zum Thema Salafisten zur Kenntnis. Der aus Hessen kommende Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Boris Rhein (CDU), forderte danach ein härteres Vorgehen gegen islamistische Hassprediger und die Strömung der Salafisten. Er will Änderungen im Aufenthaltsgesetz, um Hassprediger leichter abschieben zu können. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnte vor der Gruppierung. In der Union wird eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes und des Paragrafen zum Thema Volksverhetzung erwogen.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) dagegen wollte linken Extremismus thematisieren. Die zahlreichen Brandanschläge auf Autos in Berlin und Hamburg sowie die zunehmenden Angriffe auf Polizeibeamte wertete er als »Vorstufe eines neuen Linksterrorismus«. Zur Verbesserung der Aufklärung würden in Niedersachsen verdeckte Ermittler in der linken Szene eingesetzt. »Das ist leider nicht in allen Bundesländern so. Das halte ich für fahrlässig.« Unterdessen lehnt das Bundesinnenministerium ein neues NPD-Verbotsverfahren ab. Staatssekretär Ole Schröder (CDU) erinnerte daran, dass dann die V-Leute abgezogen werden müssten. Vor allem die LINKE und die SPD drängen nach dem gescheiterten Verbotsverfahren von 2003 auf einen zweiten Anlauf.
Das grün-rot regierte Baden-Württemberg will sich auf der Innenministerkonferenz angeblich dafür einsetzen, dass die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt wird. So erklärte sich Stuttgarts Ressortchef Reinhold Gall (SPD) gegenüber NDR 1. Bereits der Ende April präsentierte Koalitionsvertrag zwischen Grünen und SPD in Baden-Württemberg enthielt kein klares Nein zur Vorratsdatenspeicherung.
Die auf Bundesebene Regierenden – CDU und CSU auf der einen, FDP auf der anderen Seite – konnten sich auch zu diesem Thema nicht einigen. Das Bundesjustizministerium hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der für Telekommunikationsdaten ein eng befristetes »Quick-Freeze« und für Internet-Verbindungsdaten eine Speicherfrist von sieben Tagen vorsieht. Für Unionspolitikern ist der Entwurf inaktzeptabel. Auf der Frankfurter Konferenz ist kein Politiker der FDP vertreten.
Die SPD-Innenminister aus NRW und Baden-Württemberg treten vermittelnd für eine Halbjahres-Mindestspeicherfrist ein. Die Bundes-Grünen wiesen den Vorstoß der Abgesandten aus den rot-grün- regierten Ländern zurück. Die Grünen müssten ihre SPD-Koalitionspartner »zur Räson bringen, wenn es nicht zu einem Rückfall in die finstersten Zeiten rot-grüner Sicherheitspolitik kommen soll«, mahnte gestern Jan Korte, Innenexperte der Bundestags-LINKEN.
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