Durchwachsene Silphie im Test
Seit 100 Jahren wird im thüringischen Dornburg Agrarforschung betrieben
Dornburg. Die Gerstenhalme wiegen sich sanft im Wind, während Ines Schwabe eine Ähre in der Hand zerreibt. Dann misst die Mitarbeiterin der Landesanstalt für Landwirtschaft auf dem Versuchsfeld in Dornburg den Feuchtigkeitsgehalt der Körner. Noch sind sie weich und lassen sich mit dem Fingernagel zerdrücken, aber die goldgelbe Farbe der Ähre zeigt: Die Ernte rückt näher.
Seit 100 Jahren wird in Dornburg bei Jena Agrarforschung betrieben, seit kurzem auch zum Bio-Anbau. Mit dem Boom bei nachwachsenden Rohstoffen hat sich die Station zu einem bundesweit bedeutenden Forschungszentrum für den Anbau von Energiepflanzen entwickelt.
Über rund 25 Hektar erstreckt sich die jährliche Versuchsfläche, eingeteilt in eine Vielzahl von Parzellen: Neue Sorten von Weizen, Gerste und Hafer werden ebenso auf ihre Anbaueigenschaften getestet wie Acker- und Sojabohnen, Sonnenblumen, Raps und Pfefferminze. Dabei gehe es etwa um die Anfälligkeit für Schädlinge und Krankheiten sowie den Düngerbedarf, erklärt der Pflanzenbau-Referatsleiter Martin Farack. »Wir sind eine Art Stiftung Warentest für die Landwirtschaft.«
Seit in manchen Regionen Deutschlands über »Mais-Wüsten« geklagt wird, gewinnt ein anderer hiesiger Forschungszweig an Aufmerksamkeit: Die Suche nach Ersatzpflanzen für die Produktion von Biogas. Ein Hoffnungsträger dabei ist die Durchwachsene Silphie. Mannshoch steht der Korbblütler mit seinen großen Blättern und teils schon gelben Blüten da. Im Praxisversuch habe sie gut ein Viertel mehr an Trockenmasse als der Mais gebracht, heißt es.
Energiepflanzen im Fokus
Doch gibt es auch Probleme. So müssten momentan die Samen noch von Hand gepflückt werden, da sie sehr unterschiedlich reif werden, sagt Farack. »Das ist aufwendig.« Zudem werden die Pflanzen noch vorgezogen und später aufs Feld gepflanzt, weil die Samen sehr unterschiedlich keimen.
So spiegelt sich der Wandel in der Landwirtschaft in der Arbeit der Forschungsstation wider. 1911 gegründet, befasste sie sich zunächst mit Saatgutwirtschaft und Pflanzenzucht. 1920 wurde sie von der Universität Jena übernommen. Es entstanden neue Sorten von Gerste und Winterweizen aus Dornburger Züchtung. Die Arbeit wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit Forschungen an Getreide, Kartoffeln und Topinambur, später auch Triticale und Sojabohnen fortgeführt. Nach der Wiedervereinigung wurde das Versuchsgut eine Station der Landesanstalt für Landwirtschaft in Jena.
Ende der 90er Jahre kam das Zentrum für nachwachsende Rohstoffe und damit der Schwerpunkt Energiepflanzenanbau hinzu, was wiederum Forschungsgelder des Bundes einbrachte, wie der Vizepräsident der Landesanstalt, Armin Vetter, erläutert. So wird von Dornburg aus das Verbundprojekt zur nachhaltigen Energiepflanzenproduktion für Biogas koordiniert, über das vom Bund in den vergangenen acht Jahren rund 13 Millionen Euro flossen.
»Wir haben uns bundesweit als führend im Energiepflanzenanbau etabliert«, betont Vetter. So wird zum Beispiel der Anbau von Energieholz erprobt – Streifen etwa von Pappel oder Weide, die nicht nur als Rohstoff für Holzpellets dienen, sondern auch als Windschutz. Großes Potenzial sieht Vetter auch in der Energie- und Wärmegewinnung aus Stroh. Etwa 8 bis 13 Millionen Tonnen davon könnten in Deutschland auf diese Weise genutzt werden, sagt er. Dazu besitzt die Station eine Versuchsheizung für Hackschnitzel, ebenso eine Anlage zur Gewinnung ätherischer Öle. Denn auch zum Anbau von Heil-, Duft- und Gewürzpflanzen wird in Dornburg geforscht, immerhin ist Thüringen eine der wichtigsten Adressen für diese Kulturen in Deutschland.
Desinteressierte Konzerne
»In diesem Bereich könnten wir in Thüringen noch mehr anbauen«, erklärt Vetter. Doch es mangele an geeigneter Technik. »Die Konzerne interessieren sich nicht für Kamille-Pflückmaschinen, weil sie davon nur wenige verkaufen können.« Deshalb werde von Dornburg aus ein Projekt koordiniert, um Abhilfe zu schaffen. »Wir brauchen Maschinen, die die Blüten blattfrei pflücken, ohne sie zu quetschen.« Die vorhandenen Maschinen stammten noch aus den 1950er Jahren.
So geht den Agrarforschern auch nach 100 Jahren die Arbeit nicht aus, zumal auch die erwarteten Klimaveränderungen die hiesigen Bauern vor neue Herausforderungen stellen. Sie verlangen nach neuen Sorten und Anbautechniken, die mit weniger Wasser auskommen oder die Verdunstung verringern – eine wichtige Aufgabe für Versuchsstationen wie die in Dornburg.
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