Christiana rettet sich selbst
Fond wird Freistaat kaufen / Wohnungserneuerung und Kriminalität größte Herausforderungen
Es begann 1971 mit der illegalen Besetzung eines verlassenen Kasernengeländes und endete vorläufig, nach 40 Jahren staatlicher Politik zwischen aktiver Bekämpfung und Duldung, mit einem Kompromiss. Den bezeichnen die Beteiligten in seltener Einmütigkeit als pragmatisch. Der Staat in Person des Finanzministers Claus Hjort Frederiksen als obersten Dienstherren der Grundstücksverwaltung und die Christianiter sind sich einig darin, dass beide Seiten ideologische Kröten schlucken mussten, um eine Übereinkunft zu treffen. Die bürgerliche Regierung beendet zehn Jahre Kulturkampf und akzeptiert, dass Christiania auch in Zukunft existieren wird als Laboratorium für alternative Kunst und Wohnformen.
Christiania muss erkennen, dass das bisherige Beharren auf der Position, allein durch Anwesenheit Rechte erworben zu haben, nach dem Urteil des Obersten Gerichtes unhaltbar geworden ist und eine normalisierte Rechtsform gefunden werden muss. Das bedeutet nicht, dass der Freistaat künftig jedem anderen Vorstadtviertel gleichen wird. »Jetzt haben wir das Heim übernommen und werden es malern. Hoffentlich in exotischen Farben«, beschrieb der Rechtsanwalt Knud Foldschack die Situation nach acht Jahren zäher Verhandlungen. Einer der umstrittensten Punkte waren 30 Häuser, die von ihren Bewohnern ohne Erlaubnis auf den denkmalgeschützten Wällen errichtet wurden. Statt Abriss einigte man sich auf ein Umsetzen der Häuser teils innerhalb eines Jahres, teils spätestens in zehn Jahren.
Christiania wird künftig im Besitz eines Fonds sein, der das Gelände vom Staat kauft. Der Preis beträgt rund zehn Millionen Euro für 34 Hektar – ein Freundschaftspreis für ein Gelände dicht am Wasser, mit Grünanlagen und zehn Minuten vom Zentrum Kopenhagens entfernt. Dazu kommt ein einmaliger Betrag für Baurechte von 5,3 Millionen Euro. Den Fond werden die Christianiter einrichten, aber im Vorstand wird das Finanzministerium mit einem Mitglied in der Mehrheit sein. Beschlüsse müssen einstimmig gefasst werden. Wie Christiania die Kaufsumme aufbringen will, ist zur Zeit noch ungeklärt, da die meisten Bewohner bescheidene Einkommen haben. Eine der Ideen ist es, Volksaktien herauszugeben, die auch Interessierte und Sympathisanten von außerhalb kaufen können. Die konkreten Formen müssen noch geklärt werden. Für Foldschack und seine Klienten war es entscheidend zu sichern, dass Christiania weiterhin frei von Wohnungsspekulation sein wird.
Während die Bewohner Christianias nun erleichtert aufatmen können, nicht länger um ihr zuhause bangen zu müssen, betonen bürgerliche Politiker weiterhin, dass ein Ende des Haschhandels und der damit verbundenen Kriminalität notwendig ist.
Christiania weist die Verantwortung für Polizeiarbeit zurück, muss aber auch erkennen, dass man mit verantwortlich ist für das erneute Aufblühen des Handels. Um Begrenzungen für den Handel zu setzen, war vor Jahren gefordert worden, dass von Christiania tolerierte Haschbudenbesitzer hier auch einen Wohnsitz haben müssen. Beim begrenzten Wohnraum im Freistaat hatte man gehofft, eine natürliche Barriere geschaffen zu haben. Doch wenn es um Hunderte Millionen Kronen jährlich geht, schrecken organisierte Kriminelle nicht vor Drohungen zurück, um weitere Wohnrechte zu erpressen. Das Problem kann nur in Zusammenarbeit zwischen Polizei und Christiania und im weitesten Sinne einer anderen Drogenpolitik als der heutigen Nulltoleranz gelöst werden. Oberbürgermeister Frank Jensen erwartet, dass Christiania ein sicheres und kreatives Viertel Kopenhagens sein wird, das weiterhin seine Rolle als zweitgrößte Touristenattraktion ausfüllen wird.
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