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Vorerst frei
Birgit Hogefeld / Die ehemalige RAF-Frau hat während der Haft Literaturwissenschaft studiert
Alle ausgeschickten Fotografen, die das »Monster« vor dem Gefängnistor abpassen wollten, hatten Pech. Birgit Elisabeth Hogefeld ist bereits seit Montag auf freiem Fuß. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hatte vor eineinhalb Wochen die Reststrafe der unter anderem wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Ex-Jurastudentin zur Bewährung ausgesetzt.
Hogefeld, die zur dritten – noch immer geheimnisumwitterten – Generation der Rote Armee Fraktion (RAF) zählte, hatte 1985 einen jungen US-Soldaten mit der Aussicht auf ein schnelles Liebesspiel aus einer Wiesbadener Diskothek gelockt. Man fand ihn in einem Waldgebiet – mit einem Einschuss im Hinterkopf. Hogefelds Richter kamen in dem späteren Verfahren zu der Überzeugung, dass der oder die Mörder mit dem Ausweis des Soldaten und einem VW-Passat mit 240 Kilogramm Sprengstoff auf das Gelände eines US-Stützpunktes gelangten. Bei der Explosion wurden ein weiterer US-Soldat und eine Zivilangestellte getötet. Unter dem Kaufvertrag des Passat war Hogefelds Unterschrift, der Verkäufer hatte sie wiedererkannt.
Im Juni 1993 wurde Hogefeld bei einem Einsatz des Bundeskriminalamtes und der GSG–9-Elitetruppe auf dem Bahnhof von Bad Kleinen festgenommen. Bei einer Schießerei kamen Hogefelds Begleiter, RAF-Mitglied Wolfgang Grams, und ein GSG-9-Beamter ums Leben.
Zwei Gnadengesuche fanden bei Bundespräsident Horst Köhler, der mit Hogefeld gesprochen hatte, kein Gehör. Die nun angesetzte Bewährungszeit beläuft sich auf fünf Jahre. Zu den Opfern der dritten RAF-Generation gehören der Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und der Präsident der Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder.
Die Fälle sind noch nicht aufgeklärt – folglich ist das Kapitel RAF auch 13 Jahre nach ihrer Selbstauflösung nicht abgeschlossen. Derzeit steht die RAF-Frau Verena Becker im Fall Buback vor Gericht. Ob es weitere Anklagen gibt, wird davon abhängen, ob man die Ermittler neue Spuren finden oder ob eines der RAF-Mitglieder das Schweigegelübde bricht. Dann könnte die Justiz möglicherweise auch noch einmal auf Birgit Hogefeld zurückkommen.
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