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Für schwarz-gelb-grüne Atompolitik

Die Parteiführung hat sich gegen ihre Kritiker in der Basis durchgesetzt

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Berliner Messehalle kommt es beim Sonderparteitag der Grünen zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern des schrittweisen Ausstiegsplans der Bundesregierung. Der Parteispitze ist es dabei gelungen, einen Aufstand der Basis abzuwenden.

Die Erleichterung ist Claudia Roth deutlich anzusehen. Nach der für sie erfolgreichen Abstimmung über den Atomkurs der Grünen am Samstag holt sie erst tief Luft und fällt dann Ko-Parteichef Cem Özdemir, der neben ihr auf dem Podium sitzt, in die Arme. Beide mussten zuvor bange Stunden durchstehen. Während der Diskussion über das Ja zum schwarz-gelben Ausstiegskonzept war lange fraglich, ob die Delegierten mehrheitlich zustimmen würden.

Insbesondere nach der Rede von Hans-Christian Ströbele ziehen Özdemir und Roth lange Gesichter. Der Berliner Bundestagsabgeordnete erinnert daran, dass die Grünen erst vor kurzem gemeinsam mit Hunderttausenden für einen Ausstieg bis 2017 demonstriert hatten. »Fukushima hat gezeigt: Fünf Jahre mehr bis 2022 sind wegen des großen Risikos einer Atomkatastrophe zu viel«, ruft Ströbele den Delegierten zu. Diese antworten mit nicht enden wollendem Applaus und skandieren lautstark »abschalten, abschalten«.

Auch prominente Befürworter des schwarz-gelben Ausstieges wenden sich mit emotionalen Reden an die Parteibasis. Ob Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Fraktionschef Jürgen Trittin, Berlins Bürgermeister-Kandidatin Renate Künast oder die Parteichefs Roth und Özdemir – ihre Argumentation ist weitgehend gleich. Deutschland könne ein wichtiges Signal für die internationale Anti-AKW-Bewegung senden. Die sofortige Abschaltung der acht ältesten Meiler und die Rücknahme der Laufzeitverlängerung seien zudem große Erfolge für die Grünen und die Anti-AKW-Bewegung. Deshalb müsse man der Atomgesetznovelle zustimmen. »Das Gesetz ist sogar eine Verbesserung gegenüber dem rot-grünen Ausstieg von 2001, wonach die AKW noch bis zum Jahr 2026 hätten laufen können«, räumt Claudia Roth ein. Die Rückkehr zur Kohleenergie sei dagegen mit den Grünen nicht zu machen. Diese wollen einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien.

Dafür wirbt auch Gastredner Klaus Töpfer. Dem ehemaligen CDU-Umweltminister und Vorsitzenden der Ethikkommission zur Energiewende wird von den Grünen eine »bemerkenswerte politische Karriere« attestiert. Töpfer betont vor allem die wirtschaftlichen Vorteile für die Bundesrepublik als Marktführer bei Technologien für die Erneuerbaren.

Die Forderungen vieler Grüner und von Anti-AKW-Initiativen gehen indes viel weiter als der schwarz-gelbe Gesetzentwurf. Sie wollen, dass das Endlager Gorleben aufgegeben wird und die Kernkraftwerke einer umfassenden Sicherheitsprüfung unterzogen werden. Zudem soll der Ausstieg bereits bis 2017 bewerkstelligt und durch eine Verfassungsänderung abgesichert werden. »Wir wissen nicht, was die Union bis zum Jahr 2022 vorhat. Vielleicht kommen dann die Atomlobbyisten wieder aus ihren Löchern«, gibt Gesine Agena, Sprecherin der Grünen Jugend, zu bedenken. Zwar entscheiden sich die Grünen mehrheitlich dafür, den AKW-Ausstieg im Grundgesetz zu verankern, aber bis zur Abstimmung zur schwarz-gelben AtG-Novelle am 30. Juni im Bundestag wird es wohl nicht möglich sein, einen Antrag zur Verfassungsänderung einzureichen.

Die Mitglieder der Parteispitze werden nicht müde, die faire Debatte zu loben, doch der geforderte Ausstieg bis 2017, den der Vorstand nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima noch befürwortet hatte, wird mit der Bemerkung »wünschenswert, aber nicht machbar« beiseite gewischt.

Eine Haltung, die zu Konflikten mit der organisierten Anti-AKW-Bewegung geführt hat. Auch wenn Claudia Roth betont, dass sie in Brokdorf unter bedrohlich tief fliegenden Hubschraubern demonstriert hat und »niemand uns aus der Bewegung exkommunizieren kann«. Vor und in der Halle demonstrieren AKW-Gegner für einen schnelleren Atomausstieg. Mit dabei sind unter anderem Campact, »ausgestrahlt«, der BUND und Anti Atom Berlin. »25 650 weitere Tonnen Atommüll bis 2022«, wird auf einem Plakat gewarnt. Die Aktivisten wollen die Parteibasis auf ihre Seite ziehen. Sie suchen vor der Messehalle das Gespräch mit Delegierten und verteilen Flugblätter. Genützt hat es letztlich nichts.

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