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Wen Jiabao am »Tor nach Europa«

Chinesischer Premier zu Regierungskonsultationen in Berlin / Wirtschaft im Mittelpunkt

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Kurz vor Regierungskonsultationen mit China hat die Bundesregierung die Freilassung des Künstlers Ai Weiwei gegen strenge Auflagen als wichtiges Signal bezeichnet. Gestern abend sollte der chinesische Ministerpräsident Wen in Berlin eintreffen.

Von 13 Ministern wird Premier Wen Jiabao bei seiner Visite begleitet. Dies widerspiegelt, dass Deutschland inzwischen mit kaum einem anderen Land außerhalb der EU so vielfältige, intensive und an politischem Inhalt gewinnende Beziehungen pflegt wie zu China.

Allerdings hält sich die Delegation weniger als 24 Stunden in Deutschland auf. Den Treffen der Fachminister und dem »6. Deutsch-Chinesischen Forum über wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit« sollen die Unterzeichnung mehrerer Wirtschaftsabkommen, eine Vereinbarung zum Aufbau eines Ökologieparks, abschließend ein Treffen mit Bundespräsident Christian Wulff folgen. China will mit den Gesprächen seine politische Grundlinie »Frieden und Entwicklung« umsetzen, dabei wird Deutschland aus Pekings globalstrategischer Sicht als »Tor nach Europa« gesehen. Die deutsche Seite geht aus politischem und ökonomischem Eigeninteresse gern auf diese Orientierung ein, zumal sie die Rolle Berlins in der Europäischen Union wie auch die der EU insgesamt gegenüber China stärkt.

Grundlage der Zusammenarbeit sind und bleiben die Wirtschaftsbeziehungen. Der Wert des bilateralen Handels ist im Vorjahr um 38,5 Prozent im Vergleich zu 2009 gestiegen und betrug 130,1 Milliarden Euro. China rangiert damit seit 2010 (nach Frankreich und den Niederlanden) noch vor den USA auf Platz drei aller deutschen Außenhandelspartner. Deutsche Firmen verkaufen vor allem Maschinen, Anlagen, elektrotechnische und chemische Produkte, Spezialausrüstungen und nicht zuletzt Kraftfahrzeuge ins Reich der Mitte. Von dort kommen vor allem elektrotechnische Konsumgüter, Textilien sowie Maschinen und Anlagen. Gut für die Stabilität der Beziehungen ist, dass die »China-Euphorie« bei deutschen Unternehmern inzwischen nachließ und nüchtern abgewogen wird, ob sich der Gang nach China lohnt. Denn niedrigere Lohnkosten allein sind kein Grund, ganze Produktionslinien nach Fernost auszulagern. Umgekehrt wird von chinesischer Seite überlegter in Deutschland investiert, oder es werden solide Beteiligungen etabliert.

Ungetrübt entwickelt sich das gegenseitige Miteinander allerdings keinesfalls. Das betrifft beispielsweise den anhaltend hohen Handelsüberschuss Chinas (22,9 Milliarden Euro 2010). Hinzu kommen die Probleme chinesischer Produktpiraterie, die ungleiche Behandlung chinesischer und ausländischer Firmen bei Ausschreibungen und Investitionshindernisse in China, das Streben Pekings, international als Marktwirtschaft anerkannt zu werden sowie die Unterbewertung des Yuan. Auch politische Spannungen sind kaum zu übersehen. Durch den 1999 gestarteten Rechtsstaatsdialog wurden wesentliche Impulse für die Verwirklichung der Menschenrechte in China vermittelt. Demgegenüber verwahrt sich Peking in jüngerer Zeit sichtbar entschiedener gegen Versuche, Menschenrechtsfragen zu nutzen, um das politische System Chinas insgesamt anzugreifen und die Machtausübung durch die KP Chinas in Frage zu stellen. Zugleich demonstriert Peking gezielt Kompromissfähigkeit, wie die Haftentlassung des Aktionskünstlers Ai Weiwei wenige Tage vor dem Europabesuch Wens. Es heißt, Ai habe Steuerhinterziehung in für chinesische Maßstäbe erheblichem Umfang und die Vernichtung entsprechender Finanzunterlagen durch seine zuständigen Mitarbeiter zugegeben. Er werde nun zur Nachzahlung verpflichtet. Wie das Vergehen strafrechtlich behandelt wird, sei Sache des zuständigen Gerichts.

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