Gegen bajuwarischen Filz
Der Fränkische Bund hat die Idee von einem neuen Bundesland aufleben lassen
Nürnberg/Weidenberg. Seine Attacken reitet er bevorzugt sonntags. Dann wettert Joachim Kalb in breit gestreuten E-Mails regelmäßig gegen fränkische Widersacher und ruft zur Besinnung auf fränkische Traditionen auf. Seine allwöchentlichen Rundmails, oft mit Zeitungsausschnitten gespickt, sind inzwischen das Markenzeichen des 63 Jahre alten Oberfranken. Als Vorstandsmitglied des Fränkischen Bundes kämpft Kalb nun schon seit fast 20 Jahren für ein selbstbewusstes Franken. Seit er im Ruhestand ist, hat der in Weidenberg (Landkreis Bayreuth) lebende frühere Berufsschullehrer seinen Kampf für die fränkische Sache noch verstärkt – und die Idee von einem Bundesland Franken neu aufleben lassen.
Dass man künftig mit Kalb und seinem Fränkischen Bund rechnen muss, hat erst unlängst der Bayerische Tourismusverband zu spüren bekommen. Der hatte in der Zeitschrift »Focus« eine Karte der bayerischen Tourismusgebiete veröffentlicht, attraktive fränkische Fremdenverkehrsregionen aber ausgespart. »Wie lange wollen wir uns solche Boshaftigkeiten noch gefallen lassen?«, schäumte Kalb in einer seiner wöchentlichen Rundmails. »Bitte engagieren Sie sich, es geht um unsere Zukunft hier in Franken!«, appellierte er an fränkische Politiker und Medien.
Den geballten Zorn bekam in den vergangenen Wochen auch der Bayerische Landesverein für Heimatpflege zu spüren, weil dieser ausgerechnet am »Tag der Franken« Anfang Juli im oberfränkischen Bad Steben einen »Bayerischen Heimattag« ausrichtet. Kalb sieht darin den Versuch des Bayerischen Heimatbundes, »den zunehmend erfolgreicheren ›Tag der Franken‹ zu torpedieren«.
Stichwort Regionalisierung
An einen Zufall mag der streitbare Franke jedenfalls bei der Terminwahl nicht glauben. Auch die Studie des bayerischen Zukunftsrates, die Pläne für ein »Haus der Bayerischen Geschichte« in Nürnberg und ein teures, geschichtsvergessenes Oberfranken-Logo brachten Kalb in Wallung.
Als sektiererische Volkstümelei möchte er sein Engagement freilich nicht verstanden wissen: »Was wir da machen, hat mit Patriotismus nichts zu tun«, stellt der frühere Sozialdemokrat klar. Seinem Einsatz liege die Einsicht zugrunde, »dass kleinere Einheiten besser funktionieren als Große«. Die Leute wollten sich in ihrer Region aufgehoben fühlen. »Regionalismus ist das Thema der Stunde«, ist Kalb überzeugt. In Sachen Demokratie hält er es mit dem Soziologen Karl Popper: Der spricht sich für eine Fortentwicklung der Gesellschaft durch fortwährende Verbesserungsversuche aus – etwas, was nach Kalbs Ansicht wegen »der Verfilzung im bayerischen Zentralstaat« längst verloren gegangen ist. Sein Herz für Franken entdeckte der gelernte Werkzeugmacher nach der deutschen Wiedervereinigung. »Plötzlich entstanden neue Bundesländer. Da haben wir uns gefragt: Warum sollte es nicht auch ein Bundesland Franken geben?«, erzählt Kalb. Zusammen mit Lehrerkollegen gründete er den Fränkischen Bund. Der Versuch, über ein Volksbegehren Franken aus dem Freistaat Bayern herauszulösen, scheiterte 1994 an verfassungsrechtlichen Hürden.
»Kultur wird nachgeäfft«
Kalb hofft nun auf das Jahr 2018: Mit dem Ende des Länderfinanzausgleichs stehe dann wahrscheinlich eine Neuordnung der Bundesländer an. »Warum sollte man dann nicht aus Hessen, Thüringen und Franken ein neues Bundesland machen?«, fragt sich Kalb.
Den jahrzehntelangen Trend der Bajuwarisierung Frankens sieht Kalb auf jeden Fall gestoppt. »Die Leute denken langsam um. Heute weht in Franken kaum noch die weiß-blaue Bayernfahne.« An ihrer Stelle flattere heute der ›Frankenrechen‹, die rot-weiße Frankenfahne.
Trotzdem werde noch immer zu oft die bayerische Kultur »nachgeäfft«, beklagt Kalb. Ob Oktoberfeste in oberfränkischen Thermalbädern oder Hotels, die sich »Sonnenbichl« nennen (Kalb: »Kein Mensch in Franken weiß, was ein »Bichl« ist») – all das hält der streitbare Franke für völlig überflüssig. »Wir haben in Franken so eine traditionsreiche und vielfältige Kultur, dass wir so etwas überhaupt nicht nötig haben«, ermahnt er seine Landsleute.
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