Haftbefehl gegen Gaddafi erlassen

Internationaler Strafgerichtshof wirft Libyens Staatschef Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat am Montag einen Haftbefehl gegen den libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi erlassen.

Den Haag/Berlin (Agenturen/ND). Der Verdacht gegen Gaddafi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit habe sich erhärtet, erklärte das Gericht am Montag. Auch gegen seinen Sohn Saif al-Islam sowie den Leiter des militärischen Nachrichtendienstes, Abdullah al-Senussi, wurden internationale Haftbefehle ausgestellt.

Damit gab das Gericht einem entsprechenden Antrag des Chefanklägers Luis Moreno Ocampo vom Mai statt. Nach Sudans Präsident Omar Hassan al-Baschir ist Gaddafi das zweite amtierende Staatsoberhaupt, gegen das der Strafgerichtshof einen Haftbefehl erlassen hat.

Das vorgelegte Belastungsmaterial reiche für den dringenden Verdacht aus, Gaddafi, sein Sohn und Senussi seien strafrechtlich für »systematische und weit verbreitete Angriffe« gegen Demonstranten, Regimegegner und andere Bürger verantwortlich, erklärte die aus Botswana stammende Vorsitzende Richterin Snji Mmasenono Monageng. Gaddafi sei als Staatschef indirekt verantwortlich für Verbrechen gegen die Bevölkerung. Sein Sohn Saif agiere »faktisch als Ministerpräsident« und sei eine Schlüsselfigur im Regime. Senussi habe die Kontrolle über die Sicherheitskräfte.

Die mutmaßlichen Verbrechen seien vor allem in den libyschen Städten Tripolis, Bengasi und Misrata seit dem 15. Februar verübt worden, erklärte das Gericht. Nachrichtenchef Senussi habe nach den vorliegenden Dokumenten den unter seinem Kommando stehenden Sicherheitstruppen den Auftrag erteilt, auf Demonstranten zu schießen. Der UNO-Sicherheitsrat hatte den Strafgerichtshof mit der Untersuchung der mutmaßlichen Verbrechen beauftragt.

Mit den Haftbefehlen wolle das Gericht sicherstellen, dass die drei Verdächtigen »ihre Macht nicht länger für weitere Verbrechen nutzen« sowie die andauernden Ermittlungen behindern, hieß es. Nach den Statuten des Gerichts sind zunächst die libyschen Behörden für die Verhaftung der drei verantwortlich. Sollten sie das Land verlassen, sind die Vertragsstaaten für die Ausführung verantwortlich.

Dem Chefankläger Moreno Ocampo liegen nach eigenen Angaben Dokumente und Aussagen vor, die die Schuld der Verdächtigen beweisen. Danach wurden Zivilisten in ihren Häusern angegriffen, Demonstranten beschossen und die Teilnehmer von Beerdigungen mit schwerer Artillerie attackiert. Zudem seien Regimegegner festgenommen und gefoltert worden. Die Anklage untersucht derzeit auch Berichte über Massenvergewaltigungen.

Was mögliche Massenvergewaltigungen durch libysche Truppen betrifft, so hatte der UNO-Ermittler in Menschenrechtsangelegenheiten, Cherif Bassiouni, diese Beschuldigungen unlängst als »massive Hysterie« bezeichnet. Da derartige Vorwürfe ebenso gegen die libyschen Aufständischen erhoben werden, wird mit Spannung auf die Ermittlungen des Gerichtshofes in diese Richtung geblickt, zumal die Anklage nach eigener Darstellung ausdrücklich auch Kriegsverbrechen der anderen Konfliktparteien untersucht. Zudem werden seit Beginn der NATO-Intervention immer wieder Anschuldigungen gegen die USA und Großbritannien wegen des Einsatzes von Uranmunition erhoben.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.