EU-Blockade gegen Annäherung an Kuba
Deutschland und osteuropäische Staaten beharren auf aggressiver Linie gegenüber Havanna
»In den vergangenen Wochen und Monaten war viel Bewegung in die Beziehungen gekommen«, berichtete gegenüber dem Nachrichtenportal amerika21.de ein Mitarbeiter des unlängst geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). So haben sich Vertreter des EADs mit den Kardinal von Havanna, Jaime Ortega, getroffen, der die Freilassung inhaftierter Gegner der kubanischen Regierung verhandelt hatte. Zudem habe Kubas Außenminister Bruno Rodríguez der EU-Außenbeauftragten Cathrine Ashton schriftlich bedingungslose Verhandlungen über ein Kooperationsabkommen angeboten, sagte der EU-Funktionär, der anonym bleiben wollte. Bislang hatte Havanna zunächst auf die Abschaffung des 1996 verabschiedeten »Gemeinsamen Standpunktes« gedrängt, der einen Systemwechsel in Kuba anstrebt.
Dass in der EU dennoch keine Einigung erzielt wurde, liegt vor allem an den Regierungen von Tschechien und Polen, die auf politische Systemreformen in dem sozialistischen Kuba drängen. Auch die deutsche Bundesregierung und Staaten wie die Niederlande und Schweden schließen sich dieser Position an. »Diese Akteure bringen immer neue Listen angeblicher politischer Gefangener in Umlauf, ohne dass diese Angaben überprüft werden können«, beklagt der Mitarbeiter aus dem EU-Außendienst. Diese Blockade habe die letzten Sitzungen der beiden EU-Ratsarbeitsgruppen zu Lateinamerika – AMLAT und COLAT – beschäftigt. Eine Einigung auf ein gemeinsames weiteres Vorgehen sei aber wohl erst nach der Sommerpause zu erwarten.
In Deutschland wird die unnachgiebige Position vor allem von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützt. Die Organisation lädt für den 6. Juli in Berlin zu einer Kuba-Tagung mit radikalen Gegnern der sozialistischen Regierung ein. Als Ehrengast hat die mit öffentlichen Geldern finanzierte Stiftung den US-kubanischen Aktivisten Carlos Alberto Montaner eingeladen. Der Gegner der kubanischen Regierung war nach der Kubanischen Revolution als Mitglied der gewaltbereiten Gruppierung Frente Revolucionario Democrático festgenommen worden und später in die USA geflohen.
Im Interview mit dem Neuen Deutschland zeigte der kubanische Regierungsfunktionär Noel Carrillo angesichts der EU-Blockade Unverständnis. »Der ›Gemeinsame Standpunkt‹ ist und bleibt das Haupthindernis für die Normalisierung der Beziehungen«, sagt das Mitglied der Internationalen Kommission des Zentralkomitees der KP Kuba. Das Dokument aus dem Jahr 1996 mache Kuba »inakzeptable Auflagen« und sei daher ein »Instrument zur Verletzung der Souveränität und Würde Kubas«. Carrillo hob zugleich den exklusiven Charakter des Standpunktes hervor: »Kuba ist das einzige Land unseres Kontinents, dem trotz seiner konstruktiven Haltung normale Beziehungen zur EU verwehrt werden«. Angesichts der Kontroverse innerhalb der EU zeigte sich der Regierungsvertreter zuversichtlich: »Immer weniger EU-Staaten stellen sich gegen die Wiederherstellung normaler Beziehungen.« Es sei eine Minderheit, die überholten und isolierten Positionen anhängt, die zudem im Widerspruch zum Interesse der EU stehen.
Scharfe Kritik übte Carrillo an politischen Vorwürfen aus den USA. Die US-Regierung führt den sozialistischen Inselstaat seit Jahren auf einer Liste von Staaten, die Terrorismus unterstützen. Auch wurde Kuba vor wenigen Tagen in einem US-Regierungsbericht über Staaten aufgeführt, die Menschenhandel begünstigen. »Wir müssen uns vor allem fragen, welche moralische Autorität die USA haben, solche Listen zu erstellen«, entgegnete Carrillo im ND-Gespräch. Kuba habe seit der Revolution mehr als 3000 Todesopfer durch Terrorakte zu beklagen – und einer der Verantwortlichen, der ehemalige CIA-Agent Luis Posada Carrilles, werde von den USA protegiert.
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