Die nukleare Bedrohung
Weltweit existieren noch immer 20 500 Kernwaffen
»Dramatische Konsequenzen« hat Prinz Turki al-Feisal, Mitglied der saudischen Herrscherfamilie, bei einem Geheimtreffen mit NATO-Vertretern auf dem britischen Luftwaffenstützpunkt Molesworth angekündigt, sollte Teheran eine Atombombe bauen. Dann sehe man sich gezwungen, eigene Kernwaffen zu entwickeln. Details nannte der frühere Geheimdienstchef und Botschafter seines Landes in Washington nach Angaben der Londoner Tageszeitung »Guardian« allerdings nicht.
Anfang Juni hatte Teheran angekündigt, man wolle die Kapazitäten zur Herstellung von auf 20 Prozent angereichertem Uran verdreifachen. Dazu solle die Produktion von Natans in die neue Atomanlage Fordo verlagert werden. Während man im Westen und in der Region eine militärische Dimension befürchtet, wird der Brennstoff nach Angaben der iranischen Regierung für einen medizinischen Forschungsreaktor gebraucht. Für die Verwendung in Nuklearwaffen wäre ein viel höherer Anreicherungsgrad notwendig.
Während Washington mit massivem Druck verhindern will, dass Staaten wie Iran oder Nordkorea Atomwaffen entwickeln, hat das Pentagon gerade vom Parlament 213 Milliarden US-Dollar zur Modernisierung der eigenen Kernwaffen und ihrer Trägersysteme in den nächsten zehn Jahre gefordert. Der Kongress debattiert zur Zeit über das nächste Budget.
Seit seinem Amtsantritt hat sich Präsident Obama zwar immer wieder für die atomare Abrüstung ausgesprochen, doch einen konkreten Zeitpunkt für die US-amerikanischen Kernwaffen nannte er nicht. Mehr noch. »Offenbar hat er auch den Ausgaben zur Modernisierung der Atomwaffenarsenale zugestimmt«, so David Krieger, Direktor der »Nuclear Age Peace Foundation«. Das neue Atomwaffenprogramm sehe auch Drohnen vor, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden können. Solche Waffen seien geradezu eine Einladung an andere Staaten zur atomaren Aufrüstung.
Die acht Atommächte USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan und Israel verfügten zusammen über rund 20 500 nukleare Sprengköpfe, so der jüngste Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. Dies seien zwar über 2000 Sprengköpfe weniger als noch im Jahr 2009; mehr als 5000 der verfügbaren Nuklearsprengköpfe könnten jedoch jederzeit eingesetzt werden, 2000 von ihnen befänden sich sogar in »hoher Alarmbereitschaft«.
Die USA und Russland, die sich mit dem neuen START-Vertrag zur Reduzierung ihrer strategischen Offensivwaffen verpflichtet haben, besitzen weiter mit Abstand die meisten Sprengköpfe. Laut SIPRI verfügten im Januar 2011 Russland über etwa 11 000 und die USA über etwa 8500. Auf russischer Seite seien rund 2400 einsatzbereit, auf der US-amerikanischen 2150. Das START-Abkommen begrenzt diese Zahl auf je 1550.
Eine radikale Abrüstung sei aber auch künftig unwahrscheinlich, da nicht nur die USA ihre Arsenale modernisierten, wie SIPRI-Vizechef Daniel Nord betonte. Die gesunkene Zahl der Sprengköpfe werde praktisch von Investitionen in neue Atomtechnologie ausgeglichen, heißt es im Jahrbuch. Für die Internationale Kampagne zur Beseitigung der Atomwaffen »I CAN« (Ich schaffe das), ein Netzwerk von über 200 Organisationen in 60 Ländern, wäre eine Nuklearwaffenkonvention, die alle Atommächte verpflichtet, ihre Arsenale abzurüsten, und den Erwerb von Kernwaffen für alle Staaten verbietet, der praktikabelste Weg, um Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt Wirklichkeit werden zu lassen.
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