Athen: Kürzungswahn mit Schlagseite
Empörung über Polizeigewalt gegen Demonstranten / Oppositionssegen für Sparpaket
Gemeint war damit die Polizei, die bei den Generalstreikdemonstrationen am Mittwoch mit brutaler Gewalt unterschiedslos gegen gewalttätige und völlig friedliche Demonstranten vorgegangen war. Die in den Abendnachrichten vom Donnerstag auf allen Kanälen gezeigten Amateurvideos geben sogar den Eindruck, dass man es besonders auf Letztere abgesehen hatte: Während Vermummte völlig unbehelligt auf Scheiben einschlagen und Steine werfen, sieht man Beamte, wie sie mit umgedrehten Schlagstöcken, also mit der wesentlich härteren Griffseite, auf friedliche Demonstranten einschlagen, schwere Brandverletzungen auslösende Blendgranaten nicht wie vorgeschrieben über, sondern direkt in die Menge schießen und sogar selbst Steine auf durch nichts geschützte friedliche Demonstranten werfen.
Bilddokumentationen und Klagen von Demonstranten sowie der Ärztevereinigung Athens haben mittlerweile dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Polizei eingeleitet hat.
Weder Polizeigewalt noch die Tatsache, dass am Donnerstag auch die Ausführungsbestimmungen des von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnten neuen Kürzungspakets verabschiedet worden waren, hinderte die Menschen jedoch daran, sich auch am Donnerstagabend wieder zu Tausenden vor dem Parlament zu versammeln. Wie seit nunmehr 37 Tagen tagte auch die Vollversammlung der »Empörten« wieder auf dem Platz, wo man bereits die meisten von der Polizei zerstörten Zelte und sonstigen Einrichtungen erneut aufgebaut hatte. Erwartungsgemäß ging es hauptsächlich um die Gewalt vom Mittwoch, wobei viele die Entschlossenheit äußerten, sich nicht von ihrem Widerstand abbringen zu lassen.
Am Donnerstagnachmittag waren die Ausführungsbestimmungen zum Sparpaket verabschiedet worden. Dabei konnte sich Ministerpräsident Giorgios Papandreou in wesentlichen Einzelparagrafen auf die Zustimmung der größten Oppositionspartei stützen. Hatte Nea-Dimokratia-Chef Antonis Samaras bei der grundsätzlichen Abstimmung noch populistisch gewettert, das Land komme einen weiteren schicksalhaften Schritt dem Abgrund näher, so stimmten er und fast alle übrigen der 85 Parlamentarier der Partei nun 21 der 49 einzelnen Maßnahmen zu. Diese betreffen die Einrichtung einer Art Treuhandgesellschaft für den Verkauf öffentlichen Eigentums, die Ausweitung des Einstellungsstopps im öffentlichen Dienst und die weitere Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen im Interesse der Unternehmer.
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