Allein gegen alle
Alberto Contador hat bei der heute startenden Tour de France kaum Helfer, aber viele Feinde
Von Tom Mustroph, Puy du Fou
Bei der Tour de France fordert ab heute eine Phalanx früherer Zöglinge von Bjarne Riis dessen neues Zugpferd Alberto Contador heraus. »Alberto hat zweifellos den Motor für die Tour de France«, wand Andy Schleck erst seinem großen Rivalen einen Lorbeerkranz. Ätzend schob der Luxemburger aber nach: »Ich bezweifle, dass auch seine Mannschaftskameraden über einen solchen Motor verfügen.«
Schleck fasst die Lage treffend zusammen, denn Alberto Contador ist der stärkste Fahrer im Peloton. Er hat mit dem jungen Australier Richie Porte aber nur einen Mann an seiner Seite, der dauerhaft auf dem Durchschnittsniveau der gesamten Leopard-Mannschaft von Schleck fahren kann. Die verfügt mit dem Luxemburger Brüderpaar Fränk und Andy Schleck über zwei Podiumskandidaten. »Wir streben an, dass Andy die Tour gewinnt und ich auch auf dem Podest stehe«, meinte Fränk. Hinzu kommen mit dem Belgier Maxime Monford, dem Dänen Jakob Fuglsang und dem Münsteraner Linus Gerdemann drei Fahrer, die in anderen Teams selbst als Rundfahrtkapitäne gesetzt wären, sowie die Lokomotive des Pelotons, der Schweizer Fabian Cancellara, und Dauerkämpfer Jens Voigt aus Berlin.
Diese Konstellation erinnert an die Fabel des schnellen Hasen und der cleveren Igel. Der Haken an der Geschichte ist, dass der vermeintliche Hase Contador sich bislang als schlauer und rücksichtsloser erwiesen hat als die vermeintlichen Igel. Das zeigte nicht zuletzt sein entscheidender Antritt beim Kettenschaden von Andy Schleck im vergangenen Jahr. Seitdem sind beide Fahrer – trotz Freundschaftsinszenierung auf dem Col du Tourmalet – bitter verfeindet.
Die Schleck-Brüder haben zudem nicht vergessen, dass ihr einstiger Mentor Bjarne Riis noch in der entscheidenden Tourwoche 2010 an einem Vertrag mit Contador werkelte. Jetzt trägt dieser das Saxo-Bank-Leibchen und mit den Schlecks sind Cancellara, Voigt und Fuglsang vom Dänen fort.
Diese Rivalität sorgt für Feuer. Den ersten großen Auftritt hatte allerdings die französische Polizei. Laut der holländischen Tageszeitung »De Telegraaf« durchsuchte sie bei einer Autobahnmautstelle 150 km nördlich des Startortes nahe der Passage du Gois mehrere Teamfahrzeuge. Anlass war die Festnahme des belgischen Ex-Profis Wim Vansevenant. In dessen Gepäck befand sich das in Europa noch gar nicht zugelassene Medikament TB500, das zur Bildung roter Blutkörperchen anregt und von einem Internetvertrieb ausschließlich für den Einsatz bei Rennpferden und Windhunden angepriesen wird. Vansevenant reklamierte »Eigengebrauch«.
Der belgische Rennstall Omega Pharma Lotto, für den Vansevenant während der 3430 Kilometer langen Rundfahrt VIP-Gäste chauffieren sollte, beendete daraufhin die Zusammenarbeit. Zu einer ähnlichen Distanzierung sah sich der US-Schweizer Rennstall BMC Racing gegenüber einem Masseur veranlasst. Der ist nach Angaben der belgischen Polizei an der Einfuhr von 195 Packungen des Blutdopingmittels EPO beteiligt.
Dopingnachrichten begleiten also weiterhin die Tour de France. Sie überschatten jede sportliche Rivalität. Pfiffe und Buhrufe ertönten auch bei der Teampräsentation im Themenpark von Puy du Fou gegen den wegen seiner Clenbuterol-Affäre in Frankreich wenig beliebten Contador. Der Druck auf Doper, Dopinghelfer und Dopingverdächtige von Öffentlichkeit und Behörden nimmt zu. Nur wenn diese Breite die Spitze übertrumpft, kann der Radsport wieder gesunden.
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