Trotz Vollzeitjob in Armut gefangen
Die Arbeitsbedingungen in der Sportbekleidungsindustrie sind nicht selten katastrophal
ND: Die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen ist ein voller medialer Erfolg. Ihre Organisation nutzt die Aufmerksamkeit für dieses Großereignis, um auf Missstände in der globalisierten Sportbekleidungsindustrie hinzuweisen. Welches sind Ihre Kritikpunkte?
Clodius: In den Weltmarktfabriken, in denen Sportbekleidung genäht wird, werden elementare Arbeitsrechte systematisch verletzt. Zwar gibt es auch in den Produktionsländern ein gesetzlich festgeschriebenes Arbeitsrecht, aber es schützt die Arbeiterinnen und Arbeiter nur unzureichend. Die Marken kontrollieren die Einhaltung der Arbeitsrechte nicht genügend. Wenn die Bedingungen auch nicht in jedem Land die gleichen sind, so berichten uns Arbeiterinnen dennoch immer wieder von derselben Problematik: Der Druck, dem die Fabrikbesitzer zum Beispiel durch eine unregelmäßige Auftragslage, kurze Lieferfristen, Preisdumping und Konkurrenz in der Produktion für den globalen Bekleidungsmarkt ausgesetzt sind, wird tagtäglich an die Näherinnen weitergegeben. Ein oftmals viel zu hohes Tagesproduktionssoll führt zwangsläufig zu unbezahlten Überstunden. Der Lohn orientiert sich am gesetzlichen Mindestlohn des Landes. Aber dieser reicht nicht aus, um die Grundbedürfnisse einer Familien zu decken. Sie sind gefangen in Armut – trotz Vollzeitjob!
Welche Zulieferbetriebe und Firmen sind in diese Ausbeutungsverhältnisse involviert?
Unzureichende Löhne gelten in den Produktionsländern in der gesamten Bekleidungsindustrie. Nicht umsonst spricht man von Billiglohnländern. Oft lassen in ein und derselben Fabrik verschiedene Markenfirmen produzieren. Die Marken wiederum haben eine hohe Anzahl von Zulieferern über den Globus verteilt. Adidas zum Beispiel lässt in über 1000 Zulieferfabriken in mehr als 60 Ländern produzieren. Die Bedingungen können je nach Land und Fabrikbetreiber ganz unterschiedlich sein. Der Fall Ocean Sky in El Salvador hat uns wieder einmal gezeigt, dass auch unsere deutschen Sportmarken Adidas und Puma nicht ausreichend dafür sorgen, dass die Näherinnen unter würdigen Bedingungen unser Sportzeug nähen: Bei Recherchen einer Partnerorganisation der Christlichen Initiative Romero wurden dort etliche Arbeitsrechtsverletzungen aufgedeckt. Fair Play gilt in der Produktion der Sportbekleidung leider nicht.
Was fordern Sie von den Unternehmen? Wie machen Sie Ihre Forderungen publik?
Wir fordern, dass die Unternehmen die Verantwortung für ihre Arbeiterinnen und Arbeiter übernehmen. Auch für diejenigen, die Vertragsarbeit leisten oder durch Subunternehmen angestellt sind. Außerdem sollen sich die Unternehmen verpflichten, die ILO-Kernarbeitsnormen einzuhalten, ausreichende Löhne zu zahlen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu garantieren. Die Einhaltung eines Verhaltenskodex muss Bedingung auch für die Lieferanten sein. Mit der Kampagne für Saubere Kleidung informieren wir Verbraucherinnen und Verbraucher durch unsere Publikationen kontinuierlich über die Missstände und richten mit Protestaktionen unsere Forderungen an die Bekleidungsunternehmen.
Wie reagieren die Firmen auf Ihre Kampagnen? Gibt es reale Verbesserungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter?
Auch wenn sich auf dem Papier schon viel getan hat, kommt bei den arbeitenden Menschen bisher zu wenig an. Vor allem in der Lohntüte haben sich bisher keine Verbesserungen gezeigt. Noch immer verstecken sich die Unternehmen hinter den staatlich festgelegten Mindestlöhnen, die kaum zum Überleben reichen. Nach außen haben die Unternehmen aber gelernt, sich gut zu verkaufen und loben ihre eigenen Sozialprojekte. Vereinzelt lassen sie einigen Arbeiterinnen und Arbeitern etwas zu Gute kommen, ohne dabei aber strukturell etwas zu verändern.
Welchen Anteil vom Ladenpreis zum Beispiel eines T-Shirts verdienen die Arbeiterinnen und Arbeiter? Wäre es angesichts der hohen Ausgaben für Werbung und Markenimage nicht möglich, auch den Arbeitslohn spürbar zu erhöhen?
In der Fabrik Ocean Sky in San Salvador bekommen die Näherinnen für ein Reebok-Trikot der US-amerikanischen Football Liga, das sie nähen, 8 US-Cent, das entspricht einem Lohnkostenanteil von 0,3 Prozent! Denn verkauft wird das Shirt für 25 US-Dollar. Reebok gehört seit einigen Jahren zu Adidas, ein Konzern mit einem Gewinn von knapp 12 Milliarden Euro im letzten Jahr. Da fällt es einem schwer zu glauben, dass sie ihren Zulieferern nicht mehr bezahlen und sicher stellen können, dass diese Ausbeutung ein Ende findet.
Was können die Konsumentinnen und Konsumenten tun, wenn sie sich mit den Arbeiterinnen und Arbeitern solidarisieren wollen?
Sie können sich beispielsweise an Protestaktionen der Christlichen Initiative Romero und der Kampagne für Saubere Kleidung beteiligen. Das geht auch online unter www.ci-romero.de
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