Boom oder Pleite
Streit um die WM-Wirkung nach dem DFB-Aus
Bernd Schröder hat es ja schon vorher gewusst. Zwölf Wochen Vorbereitung der deutschen Fußballnationalmannschaft für die Mission WM-Titel seien zu lang. Schröder hatte Ende Mai für die Niederlage seines Teams Turbine Potsdam im Finale der Champions League die zu lange Zeit verantwortlich gemacht, in der er seine Nationalspielerinnen für DFB-Lehrgänge hatte abstellen müssen. Silvia Neids Fahrplan ist nun auch schuld am Viertelfinalaus gegen Japan, sagt Schröder. »Wir haben alles falsch gemacht.«
Niemand kann letztlich wissen, was wäre wenn. Hätten Neids Spielerinnen bei nur sechs Wochen gemeinsamen Trainings mehr Tore gegen Japan geschossen? Oder wenn Birgit Prinz eingewechselt worden wäre? Hätte Schröder selbst auch zwölf Wochen Vorbereitung gefordert, wenn er an Stelle Neids Bundestrainer wäre, zumal er die Entscheidung vor ein paar Jahren mitgetragen hatte?
Spekulationen über Vergangenes haben wenig Sinn. Spannend bleibt hingegen, welche Auswirkungen diese WM für den Frauenfußball in Deutschland nun wirklich haben wird. Schröder bleibt auch hier bei seiner Auffassung, aus Zeiten vor dem Turnier als er einen erneuten Boom – selbst im Fall des WM-Gewinns – für unwahrscheinlich hielt. »Das ganze Theater und Gerede von einer Euphorie, die sich auch auf die Bundesliga auswirken wird, ist jetzt erst einmal verstummt«, sagt Potsdams Langzeittrainer.
Die Organisationschefin der WM widerspricht. Viele nachhaltige Projekte seien angeschoben worden. »Die haben nichts mit dem Erfolg der Mannschaft zu tun«, sagt Steffi Jones. Wahrlich haben viele Mädchen in den vergangenen zwei Wochen am Bildschirm oder im Stadion der deutschen Elf zugejubelt, haben erlebt, wie Millionen mit ihren Idolen mitfiebern. Keine andere Sportart kann jungen Athletinnen das in Deutschland bieten, auch wenn es in der Bundesligasaison 2011/2012 wohl wieder bestenfalls ein paar tausend Zuschauer pro Spiel sein werden.
Die verpasste Olympiaqualifikation ist sicherlich ungünstig für die weitere Entwicklung, dauert es doch nun zwei lange Jahre bis zum nächsten großen Turnier bei der EM 2013 in Schweden. Umso mehr müssen die Verantwortlichen darauf drängen, dass der Frauen-Bundesliga am Sonntag bei ARD und ZDF ein fester Platz eingeräumt wird. Nach den Rekordquoten sind alte Argumente der fehlenden Telegenität ad absurdum geführt. Fußballerinnen können Massen begeistern, und Stars können auch bei den Frauen inszeniert werden.
Ein wenig optimistischer als Bernd Schröder kann man der Zukunft schon entgegenblicken, auch wenn die Gefahr der Enttäuschung besteht. Aber die ist den Fans der deutschen Fußballerinnen mittlerweile schmerzlich bewusst.
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