Bahrainische Warnung über den Umweg Berlin
Menschenrechtlerin des Inselstaats fordert westliche Solidarität ein
Im politischen Gezerre um den heiß umstrittenen Verkauf modernster deutscher Leopard-II-Panzer an die saudische Monarchie blieb in der vergangenen Woche ein kleines Land vielfach unerwähnt: das unruhige Inselkönigreich Bahrain. Deutschlands arabischer Kunde hilft dort seit dem 14. März dem absolut regierenden Königshaus Al-Khalifa, die friedliche Demokratiebewegung gewaltsam niederzuschlagen.
Erschießungen auf offener Straße, gezielte Morde, schwere Folter – auch mit Todesfolge, willkürliche Verhaftungen, Verlust des Arbeitsplatzes, Prügel: In Bahrain ist heute alles möglich. Junge Menschen ziehen sich morgens weiße Kleidung an, schreiben darauf »Ich bin der nächste Märtyrer« und verlassen das Haus, um mit klarem Todesrisiko an der nächsten Demonstration teilzunehmen.
Bisher hat der USA-geführte Westen in diesem blutigen Kampf das korrupte Königshaus unterstützt, denn nahe der Hauptstadt Manama unterhalten die USA einen wichtigen Marinestützpunkt für ihre 5. Flotte. Ein Bundestagsabgeordneter aus einer der Regierungsfraktionen, der ungenannt bleiben wollte, bringt dieses Verhalten so auf den Punkt: »Washington glaubt: Besser, das Land bleibt unter der Fuchtel unserer saudischen Verbündeten, als dass es unseren iranischen Gegnern in die Hände fällt.«
Hauptargument für diese Behauptung ist, dass in Iran der Schiismus Staatsreligion ist und in Bahrain von den etwa 500 000 Staatsbürgern 70 Prozent ebenfalls Schiiten sind. Übersehen wird dabei freilich, dass die Bahrainis Araber sind und keine Perser, weshalb sie eher Irak als Iran zuneigen. Wichtiger noch erscheint die Tatsache, dass die Demonstranten in Bahrain in ihrer überwiegenden Mehrheit kein Interesse zu haben scheinen, die jetzige Diktatur gegen das iranische System einzutauschen.
Seit fast fünf Monaten kämpfen die Bahrainis »für mehr politische, soziale, ökonomische Teilhabe«, anerkannte denn auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU).
Auch ihn hat die junge Auslandsrepräsentantin des Bahrain-Zentrums für Menschenrechte (BCHR), Maryam al-Khawaja, in der vergangenen Woche in Berlin darüber informiert, dass die bislang friedliche Demokratiebewegung des Landes seit fünf Monaten blutige Verluste erleidet – und deshalb absehbar ist, dass ab Herbst neben politischen Parolen und Schimpfwörtern auch Brandbomben fliegen könnten. Wenn der Westen nicht endlich beginnt, mit Sanktionen nachzuhelfen, das Volk von Bahrain vor seinem Regime zu schützen, dann bleibt Gewalt auf Bahrains Straßen nicht mehr lange das Monopol einer verhassten Regierung, die nicht einmal davor zurückschreckt, Krankenhausärzte zu verhaften und zu foltern, weil sie verwundete Demonstranten behandeln.
Sollte der Westen weiterhin auf die Solidarität der verschwägerten Könige setzen statt die Unterstützung einer demokratisch legitimierten Regierung einzuwerben, so Khawaja, dann wäre Bahrains Bevölkerung gezwungen, sich anderweitig nach Hilfe umzusehen. Das könnte dann am Ende doch Iran sein, warnte sie in der vergangenen Woche gegenüber Abgeordneten sowie Vertretern der Bundesregierung in Berlin.
Am Montag traf Khawaja mit den Fachreferenten der Bundestagsfraktionen zusammen. Im Ergebnis der Gespräche, die sie als erfolgreich bezeichnete, kam man überein, dass es im Herbst eine Anhörung im Bundestag zur Lage in Bahrain geben soll.
An diesem Dienstag reist die 24-jährige Tochter eines prominenten bahrainischen Bürgerrechtlers nach Washington weiter. Der Vater, Abdulhadi al-Khawaja, sitzt schwer verletzt in Bahrain in Haft.
Den bahrainischen Menschenrechtlern ist klar, dass es eine Änderung der westlichen Politik nur geben kann, wenn dies von den US-amerikanischen Sicherheitskreisen ausgeht. Jene entscheiden letztlich, ob die Außenpolitik Washingtons sich noch rechtzeitig ändert. Wenn die USA als führende Macht des Westens ihre bisherige Bahrain-Politik allerdings fortsetzen, so Khawaja, gefährden sie auf Dauer selbst die Sicherheit ihres strategisch wichtigen Stützpunktes Manama.
Der Autor hat das BCHR bei der Vorbereitung des Deutschlandbesuchs unterstützt.
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