Atomwaffenfrei dank Klage?
Friedensaktivistin will letzte Atombomben aus Deutschland verbannen
Gestern fand die erste mündliche Verhandlung darüber vor dem Kölner Verwaltungsgericht statt. Dort trafen Klägerin Elke Koller und ihre Anwälte Peter Becker und Otto Jäckel auf die Gegenseite: die Bundesrepublik Deutschland in Person des Bundesverteidigungsministers, vertreten durch eine beredsam schweigende Dame namens Sylvia Spies. Alle behandelten Sachverhalte unterlägen »höchster Geheimhaltungsstufe«, betonte Spies.
Dass in Büchel überhaupt Atomwaffen gelagert sind – der »Spiegel« geht von 10 bis 20 Bomben aus, es sind die wohl letzten auf deutschem Boden – bestätigte Spies nur indirekt, indem sie sagte: Die Bundesregierung habe umfassende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung getroffen. Schutz wovor? »Wir legen die Existenz der Atomwaffen hypothetisch zu Grunde«, suchte die Vorsitzende Richterin Doris Wundes eine salomonische Lösung.
Die Regierung mauert. Die Klägerin powert: 16 Jahre lebte Koller in der Region, ohne von den Atomwaffen zu wissen, hatte eine Apotheke übernommen, ein Haus gekauft. Erst 1996 wurde sie durch eine Demonstration auf ihre hochgiftigen »Nachbarn« aufmerksam – und zur äußerst kämpferischen Aktivistin wider die gefährlichen Explosionskörper.
Amerikanische Flugzeuge gibt es dort nicht. Also müssten die Bomben wohl von deutschen Tornados transportiert und abgeworfen werden. Parat steht das Jagdbombergeschwader 33 im Fliegerhorst Büchel. Auch NATO-Staaten, die über keine eigenen Atomwaffen verfügen, werden in die auf diese Massenvernichtungswaffen bezogene Strategie und Praxis des Militärbündnisses einbezogen. »Nukleare Teilhabe« nennen das die Militär-Strategen.
Viel juristischer Spielraum
Das Konzept soll der Abschreckung dienen. Doch wessen Abschreckung? Nach dem Ende des Kalten Krieges habe sich eine neue Situation ergeben, betonten Elke Kollers Anwälte. Terroristen würden sich von Atombomben nicht abschrecken lassen. Doch drohe die Gefahr terroristischer Anschläge auf die stationierten Atomwaffen. Zudem könnten Unfälle zu nuklearer Verseuchung führen. Der Staat müsse seine Mandantin vor all dem schützen. Das sei nur durch den Abzug der Atomwaffen möglich, betonte Anwalt Becker.
Noch schwerer wiege jedoch, dass der Einsatz von Atomwaffen »generell illegal« sei. Also sei schon deren Lagerung verboten. Beides widerspreche den Grundsätzen des humanitären Kriegsvölkerrechts, das unmittelbares Recht in Deutschland sei. Kollers Anwälte beriefen sich auf zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und ein Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshof. Dass es hier viel Interpretationsspielraum gibt, ahnten gestern auch die juristischen Laien im fast voll besetzten Saal 1 des Kölner Verwaltungsgerichts.
Im Zweifelsfall durch alle Instanzen
Auch Kollers Anwalt Becker sprach von »juristischem Neuland« und legte den Richtern nahe, grundsätzliche Fragen zunächst vom Bundesverfassungsgericht klären zu lassen. Die Richter vertagten sich, ohne anzudeuten, wie lange ihre Beratungen dauern werden. Werden sie den Klagen stattgeben? Ganz oder teilweise? Eine Prognose wagte gestern niemand.
»Wir haben es der Kammer sehr schwer gemacht, es sich einfach zu machen«, freute sich Otto Jäckel, der zweite Anwalt der Klägerin. Seine Mandantin war guter Stimmung: Sie sei zufrieden, sagte Elke Koller, »dass die Klage nicht sofort abgewiesen wurde«. Alles sei offen, »aber es wird dauern«. Im Zweifelsfall werde sie durch alle Instanzen gehen, kündigte die Atomwaffen-Gegnerin an. Gleiches sei – bei deren Niederlage – auch von der Gegenseite zu erwarten, vermuten Kollers Anwälte.
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