Stresstest ohne Staatspleiten

Beim europäischen Bankentest fallen acht Geldhäuser und Sparkassen durch

  • Ralf Streck, Madrid
  • Lesedauer: 4 Min.
Spanien ist die Achillesferse des europäischen Bankensystems. Die Sparkassen weisen eine hohe Kreditausfallquote auf. Dennoch fallen im Bankenstresstest nur vier spanische Sparkassen durch. Der Test klammerte selbst wahrscheinliche Risiken aus.

Der Stresstest ist vorbei. Zum zweiten Mal wurde getestet, ob Banken und Sparkassen in Europa ein Krisenszenario überstehen könnten. Doch es wurde, wie schon im Vorjahr, unter klaren politischen Vorgaben geprüft: Nicht zu viele Institute sollten durchfallen, um keine Panikstimmung zu verbreiten, und es sollten nicht zu wenige sein, um den Test glaubwürdig erscheinen zu lassen. Es ging darum, »Vertrauen« zu schaffen. Entsprechend war auch das Ergebnis. 2010 fielen sieben von 91 Instituten durch, diesmal waren es acht von 90.

In Spanien scheiterten gleich vier Sparkassen und die Banco Pastor. Es waren die Sparkassen Unnim, CAM, CatalunyaCaixa und Caja3. Hinter Caja3 verbergen sich eigentlich drei vom Absturz bedrohte Sparkassen: Caja Inmaculada, Caja Círculo de Burgos und Caja Badajoz. Merkwürdig ist, dass die Caja3 auf ihren Webseiten verkündet, den Test »locker« bestanden zu haben. Mit einer aktuellen Kernkapitalquote von 8,85 Prozent, die im Stress-Szenario auf vier Prozent sinkt, würde ein solches Institut in Dänemark unter Gläubigerbeteiligung abgewickelt wie gerade die Fjordbank Mors. Um neuen Bankenrettungen vorzubeugen, wurde in Dänemark die benötigte Kernkapitalquote kürzlich deutlich angehoben.

Angesichts der enormen Kreditausfallquoten im Krisenland Spanien sind die Stresstest-Ergebnisse immer noch auffällig positiv, auch wenn spanische Institute insgesamt schlecht abschneiden. Nach den Daten, welche die spanische Zentralbank zuletzt im Juni veröffentlichte, ist die Quote im April im Durchschnitt auf den neuen Rekordwert von 6,36 Prozent gestiegen. Die enorme Arbeitslosenquote von fast 21 Prozent lässt immer mehr Kredite faul werden. Es hat sich erneut gezeigt, dass die Banken vor den Sparkassen liegen. Deren Kreditausfallquote liegt im Durchschnitt bei 6,39 Prozent, die der Sparkassen, die als Pleitekandidaten gehandelt werden, bei 6,26 Prozent.

Im Testergebnis spiegelt sich das erneut nicht wieder, auch wenn viele Banken den Test nur knapp bestanden haben. Bankia, Banco Popular, Banco Sabadell, Bankinter, Banca Cívica und zwei weitere Sparkassen kommen im Stressszenario nur sehr knapp über die geforderte Kernkapitalquote von fünf Prozent. Angesichts der Ergebnisse kritisiert man in Spanien, dass die europäische Bankenaufsicht EBA einige Geldinstitute benachteiligt habe, weil Reserven nicht angerechnet worden seien.

Überstanden haben den Test auch nicht die Agricultural Bank of Greece (ATE) und die griechische EFG Eurobank Ergasias sowie die Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG). Allerdings hatte letztere vor Bekanntgabe der Ergebnisse ihre Osteuropa-Problemtochter VBI an die russische Sberbank verkauft. Wäre das eingeflossen, hätte auch die ÖVAG bestanden.

In Deutschland ist die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) durchgefallen. Sie zog sich aber vorzeitig aus dem freiwilligen Test zurück und wurde deshalb nicht aufgelistet. Das hat mit einer Sonderregelung im deutschen Bankenwesen zu tun, in dem stille Einlagen als Eigenkapital gelten. Im Test wurden ausgerechnet die zwei Milliarden Euro nicht als Kernkapital anerkannt, mit dem das Land Hessen an der Helaba beteiligt ist. Einige Institute wie die Norddeutsche Landesbank und die HSH Nordbank kamen nur knapp über die Hürden. Die beiden größten deutschen Privatbanken verfügten nur noch über Kernkapitalquoten von 6,4 Prozent (Commerzbank) und 6,5 Prozent (Deutsche Bank).

Der neue Tests fordert nur eine knappe Kernkapitalquote, wenn sich die Schuldenkrise in der Eurozone verschärft, es zum Einbruch der Wirtschaft um vier Prozentpunkte und zum Verfall des Dollars kommt. Das sind milde Annahmen. So schrumpfte die griechische Wirtschaft im vergangenen Jahr um mehr als vier Prozent, die deutsche Wirtschaft 2009 sogar um 4,7 Prozent.

Erneut wurde auch die Gefahr von Staatspleiten im Euro-Raum ausgeklammert. Dabei diskutieren die EU-Finanzminister längst über den »Schuldenschnitt«.

Die Europäische Bankenaufsicht nutzte den Stresstest zumindest, um sich selbst ein Bild von der Gefährdung der Banken zu machen. Diesmal mussten die Teilnehmer offenlegen, wie viele Staatsanleihen aus welchen Ländern in ihren Büchern stecken. Im vergangenen Jahr hatten vor allem die deutschen Institute diese Transparenz vermissen lassen. Ohnehin geht es längst nicht mehr nur um den teilweisen Schuldenschnitt für griechische Anleihen. So hatte der Commerzbank-Chef Martin Blessing ein Szenario angemahnt, das auch auf Irland und Portugal anwendbar ist.


Kernkapitalquote

Beim Banken-Stresstest dreht sich alles um den finanztechnischen Begriff der Kernkapitalquote (englisch: »Tier«). Fünf Prozent hartes Kernkapital fordern die EU-Aufseher als Untergrenze von den Banken. Wer diesen Wert nach den Verlusten im Stresstestszenario nicht halten kann, ist durchgefallen.

Man berechnet diese Kennzahl, indem man das Kernkapital (damit ist das unmittelbar haftende Eigenkapital gemeint) durch die Summe der Risikoposten (etwa Kredite und Wertpapiere) teilt. Die Kernkapitalquote sagt also aus, inwieweit die Risikopositionen durch eigene Mittel gedeckt sind, sprich wie dick der Risikopuffer der Bank ist. Die Kernkapitalquote gilt als wichtige Zahl, um Stabilität und Stärke zu beurteilen. Beim diesjährigen Test war die EU-Bankenaufsicht EBA zudem strenger und legte engere Eigenkapitalregeln nach den neuen Bankenregeln (»Basel III«) an, die aber erst von 2013 an gelten. dpa

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