Sag' beim Absturz leise »Sorry«
Murdoch-Imperium von allen Seiten unter politischem Feuer / Opposition fordert Zerschlagung
Während Medienzar Rupert Murdoch sich mit Entschuldigungs-Anzeigen wegen des Abhörskandals um die Boulevardzeitung »News of the World« zu exkulpieren versucht, fordert der britische Oppositionsführer Ed Miliband eine Zerschlagung des Medienimperiums in Großbritannien.
»Es tut uns leid ... Die Abhöraffäre war schlimm ... Jetzt machen wir alles wieder gut« – Inserate vom Murdoch-Konzern News International in den Sonntagszeitungen der Konkurrenz. Denn Reporter seines Revolverblattes »News of the World« hatten die Handy-Mailboxen ermordeter Kinder abgehört, Nachrichten gelöscht und dadurch die Eltern in der Hoffnung gewiegt, ihre Töchter seien noch am Leben. Auch Angehörige von Terrorismusopfern und toter Soldaten gehörten zu den Abgehörten.
Murdoch übte Druck auf willfährige Politiker von Tony Blair bis David Cameron aus und demontierte andere wie den früheren Oppositionsführer Neil Kinnock und Ex-Premier Gordon Brown. Nun schlägt die Stunde der Rache.
Die unsägliche »News of the World« wurde Knall auf Fall dichtgemacht, ihre frühere Chefredakteurin Rebekah Brooks, nunmehr Geschäftsführerin von News International, sowie ihr Vorgänger und Gegenpart beim »Wall Street Journal«, Les Hinton, wurden schmählich geschasst. Der geplante Murdoch-Coup, die übrig gebliebenen 61 Prozent des hoch profitablen Bezahlsenders BSkyB zu kaufen, wurde abgeblasen.
Inzwischen wurde sogar die Verhaftung von Rebekah Brooks gemeldet. Mit der 43-Jährigen ist erstmals eine Topmanagerin des Murdoch-Imperiums in Polizeihaft genommen worden. Brooks gilt als eine der engsten Vertrauten des Medienunternehmers. Die Londoner Polizei bestätigte am Sonntag ihre Festnahme.
Rupert und sein Sohn James Murdoch müssen am Dienstag vor einem Parlamentsausschuss Rede und Antwort stehen. Längst zugegebene Zahlungen an Polizisten, um illegal an Informationen zu kommen, könnten wegen der Antikorruptionsgesetzgebung in den USA Murdoch-Labels wie Fox News teuer zu stehen kommen. Ob auch die kriecherischste Entschuldigung da ausreicht?
Oppositionschef Ed Miliband, als neuer Labour-Chef den Vorwurf der Murdoch-Hörigkeit weit von sich weisend, tritt seit Bekanntwerden des Sündenregisters von News International plötzlich angriffslustig und überzeugend auf. Er geißelte in einem Interview der liberalen Sonntagszeitung »The Observer« Murdochs »ungesunden Marktanteil und Machtmissbrauch«, forderte eine künftige Einschränkung solcher Medienmacht und -verflechtung, denn »die Gesetzgebung im Medienbereich gleicht einer analogen Regelung für ein digitales Zeitalter«. Der früher oft belächelte Labour-Führer gibt hier die Volksmeinung wieder, was ihn zu einem starken Gegenspieler macht. Der Skandal gleitet dem Medienmogul zunehmend aus den Händen.
Probleme zuhauf hat hingegen der Tory-Premier David Cameron. Der hatte den durch den Skandal kompromittierten Andy Coulson erst zum Fraktions-, dann zum Regierungssprecher gemacht. Nach monatelangen Verdächtigungen musste der ehemalige Chefredakteur der »News of the World« von Camerons Seite weichen, erste Zweifel an der Urteilskraft des sich kumpelhaft gebenden »Dave« wurden laut. Der Premier sprach sich sogar für strafrechtliche Schritte gegen seinen Ex-Regierungssprecher aus, wenn dieser in die Affäre verwickelt sein sollte.
Rebekah Brooks, ein ständiger Gast auf Camerons Cocktailpartys, ritt auch gern mit Dave und First Lady »SamCam« aus; waren die Ausritte nur Ausrutscher? Cameron wütet jetzt gegen frühere Labour-Granden, die Murdochs Gelichter hofiert haben; sehr unfair, sah er sich doch selbst bis vor Kurzem als Erbe von Tony Blair.
Diese Krise dürfte der Premierminister jedoch mit ein paar bösen Kratzern überstehen. Öffentliche Entrüstung, gerade in den Sommermonaten, verpufft schnell. Aber nie wieder wird die Familie Murdoch die britische Politik krakenartig beherrschen wie bislang. Gut so.
Und die wirklich schlimmen Aspekte der Koalitionspolitik – geplante Job- und Rentenkürzungen im öffentlichen Dienst, drastische Streichungen im sozialen Netz, Verdreifachungen der Studiengebühren – treten in diesem Herbst in Kraft. Schützenhilfe aus dem Hause Murdoch hat Cameron nicht mehr zu erwarten; der Australoamerikaner ist fürs erste vollauf damit beschäftigt, den eigenen Augiasstall auszumisten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.