Park-Sünder Morales?

Straßenbaupläne durch Nationalpark in Bolivien droht Linke zu entzweien

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 2 Min.
Ausgerechnet Boliviens linke Regierung bekommt Streit mit Organisationen der Indigenen. Der Grund: Pläne für eine Fernstraße durch einen Nationalpark.

Wie ein Teppich aus Regenwald und Savannen spannt sich das »Indigene Territorium Nationalpark Isiboro Sécure« (TIPNIS) von den Hängen der Anden bis zu den Ausläufern des Amazonas-Beckens. Ausgerechnet dort will die in Bolivien regierende »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) eine Straße bauen. Seit den 1980er Jahren liegen die Pläne für die Asphaltader in der Schublade. Bisher aber fehlte das Geld. Der bisher zwischen dem Hochland und der Grenze zu Brasilien nötige Umweg über die Tieflandmetropole Santa Cruz kostet eine Tagesreise. Die MAS-Regierung erhielt nun von Brasiliens »Nationalbank für wirtschaftliche und soziale Entwicklung« (BNDES) im Rahmen des lateinamerikanischen Infrastrukturprogramms IIRSA einen 332-Millionen-Dollar-Kredit.

Die Fronten verhärten sich. »Muss es erst Tote geben?«, fragte zuletzt Adolfo Chávez, Vorsitzender des Tiefland-Indigenen-Verbands CIDOB. Den Verlauf über das TIPNIS-Gebiet werde man »auf keinen Fall« akzeptieren. »Am 15. August laufen wir von Trinidad nach La Paz«, kündigte Bertha Bejarano vom »Verband des Moxos-Volkes Beni« (CPEMB) einen Protestmarsch an. Die beiden Organisationen lehnen das Teilstück der 306-Kilometer-Trasse zwischen dem Hochland-Departamento Cochabamba und Beni an der Grenze zum boomenden Brasilien aus Sorge vor Holzraub, Koka-Anbau und zusätzlicher Besiedlung ab. Präsident Evo Morales verteidigt die Straße zwischen seinem einstigen Wohnort Villa Tunari und San Ignacio de Moxos, dessen umstrittenes »Teilstück II« 177 Kilometer Nationalpark durchquert. Eine in der Verfassung garantierte Konsultation der TIPNIS-Bewohner werde es geben. Doch sei deren Ergebnis »nicht bindend«, heißt es in Regierungskreisen. Die Straße sei ein »nationales Projekt« und werde gebaut, »ob sie wollen oder nicht«, polterte Morales.

Der Präsident – noch immer Gewerkschaftschef der Kokabauern – war ein alter Verbündeter der Straßengegner. Zuletzt 1990 waren die Tiefland-Indigenen gegen die Ausbeutung ihrer Territorien Richtung La Paz gezogen, Startsignal für den langen Kampf der sozialen Bewegungen um Regierungsmacht. 1965 hatten sie mit dem »Marsch für den Waldschutz« die Einrichtung des Schutzgebietes erreicht. Bolivien ist eines der zehn artenreichsten Länder der Welt; illegale Rodungen für Koka-Pflanzungen aber vernichteten seit 1990 eine halbe Million Hektar TIPNIS-Wald.

Auch in Bolivien sind Umweltfragen Politikum, grüne Kritik an der Linksregierung wird schriller. Auch frühere MAS-Minister und Sozial-Aktivisten greifen inzwischen Morales an, die rechte Opposition nimmt dankend die Umweltkarte auf. Rohstoffexporte seien umweltzerstörender »Neo-Extraktivismus«, Energiekonzerne würden nach Öl und Gas bohren, genmanipuliertes Saatgut öffne Lebensmittelmultis Tür und Tor. Morales Kritiker sehen darin Beweis für dessen »verlogenen Umweltdiskurs« und seine »Vergewaltigung der Prinzipien der Demokratie«. Vizepräsident und MAS-Chefideologe Álvaro García Linera vermutet deshalb eine »Unternehmer-Medienkampagne«, die mit Umweltdebatten die Linke spalten soll.

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