Thüringer Linkspartei drängt auf Protestnote an Sachsen

Anhaltender Wirbel um Razzia bei Jenaer Jugendpfarrer / Dresdner Staatsanwälte gehen weiter gegen LINKE-Fraktionschefs vor

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Razzia sächsischer Polizisten bei einem Jenaer Jugendpfarrer beschäftigt kommende Woche zwei Landtage. Auch den Bundestag erreicht der Fall. Derweil gehen Dresdner Staatsanwälte wegen der Antinazi-Blockade 2010 weiter gegen linke Fraktionschefs vor.

Thüringens Regierung soll wegen der Razzia in der Dienstwohnung des Jenaer Jugendpfarrers Lothar König eine offizielle Protestnote an Sachsen senden. Das forderte gestern die LINKE in Erfurt. Die Note dürfe in ihrer Deutlichkeit »nicht hinter der Kritik aus breiten gesellschaftlichen Kreisen« zurückbleiben, verlangen die Genossen.

An Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig lassen nicht nur Reaktionen aus der Evangelischen Kirche, wo Landesbischöfin Ilse Junkermann die Aktion als »skandalös« bezeichnete. Auch in der Erfurter Regierung wird alles andere als diplomatisch reagiert. SPD-Justizminister Holger Poppelhäger sagte, es sei »fraglich«, ob Thüringer Behörden im erforderlichen Maß eingebunden waren. Sachsen solle »schnellstmöglich und umfassend« für Aufklärung sorgen. Es müsse auch gefragt werden, warum die Dresdner Ermittler kein Amtshilfeersuchen gestellt hätten. Diese verteidigten derweil ihr Vorgehen: Die Behörde könne im gesamten Bundesgebiet tätig werden, sagte ein Sprecher.

Viele Fragen sind derzeit offen – etwa, warum die Razzia kurz nach Königs Abreise in den Urlaub und nur eine Woche nach scharfer Kritik des Pfarrers im »Spiegel« erfolgte und warum die Ermittler erst jetzt mit dem schwerwiegenden Vorwurf an die Öffentlichkeit gingen, aus dem auf König zugelassenen Lautsprecherwagen der Jungen Gemeinde sei am 19. Februar in Dresden zu Steinwürfen auf Polizisten aufgerufen worden. Aufklärung bringen soll in Sachsen eine Sondersitzung des Rechtsausschusses, die von der LINKEN beantragt wurde und am Donnerstag stattfinden könnte. In Thüringen soll nächste Woche auf Antrag der LINKEN der Justizausschuss eine Sondersitzung abhalten.

Auch den Bundestag wird die Aktion, die derzeit für überregionale Schlagzeilen sorgt, beschäftigen; zwei grüne Abgeordnete aus Thüringen und Sachsen wollen unter anderem wissen, wie die Zusammenarbeit der Polizei beider Bundesländer geregelt ist.

Der Verfolgungseifer der Dresdner Staatsanwälte im Zusammenhang mit den Nazi-Blockaden vom 19. Februar sorgt bei Beobachtern zunehmend für Verstörung: Neben der Jenaer Razzia gab es die Abfrage zehntausender Handydaten, Ermittlungen gegen eine angebliche kriminelle Vereinigung und die dubiose Erstürmung der LINKE-Stadtzentrale Dresden im Februar. Aber auch Ermittlungen wegen der erfolgreichen Blockade am 13. Februar 2010 werden unvermindert weitergetrieben. Im Visier befinden sich vor allem die Fraktionschefs der LINKEN in Sachsen, Thüringen und Hessen.

Im Fall des sächsischen Fraktionschefs André Hahn wird ein zweiter Anlauf auf Aberkennung der Immunität genommen. Nachdem der Immunitätsausschuss im April die Staatsanwaltschaft um weitere Informationen gebeten und Zweifel angemeldet hatte, warum nur gegen einen Funktionsträger ermittelt, andere Verfahren aber eingestellt wurden, legten die Ermittler nun nach und führen als Beweismittel unter anderem ein Youtube-Video an, auf dem sich Hahn am 13. Februar äußerte, das aber erst später publiziert wurde. Laut Hahn sind die Staatsanwälte »besessen von der Idee, Schuldige für den erfolgreichen Protest gegen den Naziaufmarsch zu finden«. Er hoffe, dass die Aufhebung seiner Immunität im Ausschuss abgelehnt wird.

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