Raumschiff ohne Kapitän
Steve Jobs gibt Führung beim Elektronikkonzern Apple an Tim Cook ab
Bei einem seiner letzten öffentlichen Auftritte warb Steve Jobs am 7. Juni vor dem Stadtrat von Cupertino (US-Staat Kalifornien) für die Pläne zum Bau eines neuen Hauptquartiers. Diese solle das »beste Bürogebäude« der Welt werden, so der gesundheitlich geschwächte Jobs in gewohnter Superlativ-Rhetorik, und »Architektur-Studenten aus aller Welt« würden sich den Neubau künftig anschauen. Das Gebäude sieht aus wie ein Raumschiff – Norman Fosters Architekturbüro erarbeitete die Entwürfe – und soll bis zu 13 000 Beschäftigten als Arbeitsstätte dienen. Bei der Präsentation war bereits klar, der Konzernlenker würde zur Fertigstellung des neuen »Campus 2« nicht mehr Kapitän sein. Seit 2004 kämpft Steve Jobs mit den Folgen eines Tumors. Dem als »iGod« verehrten Jobs folgt Tim Cook, der ihn bei Krankheiten schon mehrfach vertreten hatte.
2008 hatte die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg versehentlich einen Nachruf für Steve Jobs im Internet freigeschaltet. Seit Jahren kämpft dieser mit seiner Krebserkrankung. Sein genauer Gesundheitszustand wurde nie kommuniziert und erst vor kurzem hatte er die Nachricht, dass der Apple-Vorstand seine Nachfolge bedenke, mit »Unsinn« kommentiert. Im Januar hatte sich Jobs aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen und lediglich einige spektakuläre Produktpräsentationen durchgeführt – allerdings war der 56-Jährige bereits stark angeschlagen. Jetzt gibt er auch formell das Ruder ab, zu einem Zeitpunkt, der für Beobachter völlig überraschend kam, denn – so wurde spekuliert – Jobs werde sich die geplante Präsentation der neuen Mobiltelefongeneration iPhone 5 Anfang September nicht entgehen lassen.
Wirtschaftlich steht das Unternehmen glänzend da. Ein weiteres Rekordquartal wurde kürzlich verkündet und in der US-Schuldenkrise wurden von Journalisten die Bargeldreserven Apples – immerhin 75,876 Milliarden US-Dollar – als mögliche Hilfe für Präsident Obama ins Spiel gebracht.
Zugleich behielt der Konzern, der den einstigen Angst-Rivalen Microsoft bei Aktienwert, Umsatz und Gewinn längst hinter sich ließ, das Image eines unkonventionellen Davids. Dabei läuft derzeit ein Duell mit dem Ölriesen Exxon Mobil um den Titel des wertvollsten Unternehmens. Zum Mythos der Marke gehört auch, dass Steve Jobs sich um die kleinsten Details bei der Produktentwicklung kümmert und der Aufstieg seinem strategischen Genie geschuldet ist.
1997 war Jobs zu seinem Konzern zurückgekehrt, als dieser kurz vor dem Bankrott stand. Ein Darlehen von 150 Millionen Dollar half zur Vermeidung des Schiffbruchs – Geldgeber war pikanterweise Microsoft. Den Konzern machte Jobs flott, indem er radikal die Produktpalette eindampfte und auf neue Modelle wie den iMac setzte. Dieser Rechner hatte erstmals kein Diskettenlaufwerk und das »i« im Namen sollte die Internettauglichkeit verdeutlichen. Die Trendwende gelang, was für den 1985 aus dem eigenen Unternehmen geworfenen eine gelungene Revanche war.
2001 begann mit dem Musikspieler iPod das Jahrzehnt, in dem Apple mehrere Märkte mit seinen Produkten umkrempelte. Das Telefon wiedererfinden wollte Jobs mit dem 2007 präsentierten Smartphone iPhone. Anfangs von Größen wie Nokia belächelt, setzte sich das Erscheinungsbild des tastenlosen Geräts als Quasi-Standard am Markt durch und gemessen am Umsatz ist Apple heute der größte Mobiltelefonhersteller weltweit, während Nokia sich in existenzieller Krisenlage befindet. Letztes Jahr forderte Apple mit dem iPad – einem Tablet-Computer – die gesamte PC-Branche heraus. Jobs erklärte bei der Vorstellung des Geräts die Epoche der Personal-Computer für beendet und wollte seine Anhänger in die »Post-PC-Zeit« mitnehmen.
Jetzt wird Tim Cook beweisen müssen, dass er eine Computerlegende ersetzen kann. Jobs möchte als Aufsichtsratsvorsitzender weiter an Bord bleiben, aber nicht mehr in der vordersten Reihe. Das Timing sei gut, so Experten, denn die Herbst-Präsentationen stehen an. Und allen müsste in Zukunft klar werden, dass es nie ein einzelner war, der die Produkte von Apple entwickelte und fabrizierte.
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