500 Millionen Euro für 38 Zeitungen

Die WAZ-Mediengruppe steht vorm Umbruch

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 4 Min.
Bisher haben beim WAZ-Konzern zwei Familien-Clans das Sagen. Doch sie blockieren sich gegenseitig und damit auch Deutschlands größten Regionalzeitungsverbund. Nun will der eine den anderen Clan auskaufen.

Eine Revolution in der WAZ-Mediengruppe wird immer wahrscheinlicher. 500 Millionen Euro bietet Petra Grotkamp, zum Funke-Clan und damit einer der beiden Eigentümerfamilien zählend, dem anderen Clan, der Brost-Erbengemeinschaft nämlich, für deren Anteile am Konzern. »Die Brost-Seite will verkaufen«, bestätigte gestern Hajo Riesenbeck, Geschäftsführer der Brost-Holding. Das Geschäft, so ist zu lesen, soll binnen vier bis acht Wochen abgewickelt werden. Schon sieht die »Financial Times Deutschland« Grotkamp als »künftige Alleinherrscherin«.

Zweithöchste Auflage nach der »Bild«

Es wäre das Ende einer langen, wenn auch nicht unbedingt guten Tradition. Schon der Sozialdemokrat Erich Brost und der reichlich konservative Jakob Funke waren sich alles andere als grün. Doch Ende der 1940er Jahre waren die beiden durchaus unterschiedlichen Unternehmensgründer ein Zweckbündnis eingegangen, um mit der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung« die erste parteipolitisch unabhängige Tageszeitung des Ruhrgebiets zu etablieren. Heute halten sich ihre Erben gegenseitig in Schach: Drei Brost-Enkel bilden die Brost-Holding, die Familiengesellschaft Funke gehört je zu einem Drittel den Funke-Töchtern Petra Grotkamp und Renate Schubries sowie den Erben ihrer Schwester Gisela Holthoff.

Die Macht ist austariert, Vertrauen wäre allzu großer Luxus: Beide Familienclans halten derzeit jeweils 50 Prozent der Anteile der WAZ-Gruppe, beide verfügen über einen eigenen Konzerngeschäftsführer. Entscheiden kann man nur im Konsens. Und genau das ist das Problem – spätestens im Übergang von der ersten zur zweiten Erben-Generation.

Zum Schluss soll offene Feindschaft geherrscht haben. »Gesellschaftsrechtlich aneinander gekettet, war das friedliche Miteinander stets großen Anfechtungen ausgesetzt«, resümiert das »Manager Magazin« das Essener Clanwesen dieser Tage. Man sei »strategisch zwischen Blockade und Kompromiss zerrieben«.

Binnen weniger Jahrzehnte war die Mediengruppe zum größten Regionalzeitungsverlag Europas aufgestiegen. In vielen Städten des Ruhrpotts ist man Monopolist, hält gleich alle lokal bedeutsamen Tageszeitungen. Sukzessive wurde die Konkurrenz aufgekauft oder niederkonkurriert. Die WAZ, das Flaggschiff des Hause, firmiert gleich hinter »Bild« als die Nummer zwei unter den auflagenstärksten Tageszeitungen Deutschlands. Der Konzern hält Medien in neun europäischen Staaten: 38 Tageszeitungen, gut 350 Zeitschriften und rund 130 Anzeigenblätter.

Doch das Machtvakuum zwischen den Clans verhinderte, so monieren viele, wirkliche Innovationen auf den durch ebenso rasante wie stete Veränderung geprägten Medien-Märkten. Ein klassischer Aufsichtsrat konnte nicht etabliert werden. Also simulierte man in der Essener Zentrale einen modernen Konzern-Vorstand: Unterhalb der beiden Geschäftsführer wurde Anfang 2008 eine Geschäftsleitungsebene etabliert – nebst einem »Team« aus neun Bereichsverantwortlichen. Davon erhofften Sprecher beider Clans sich »mehr Effizienz und Transparenz« sowie »kürzere Entscheidungswege«.

Derweil wurden im Zuge eines harten Sparkurses die Redaktionen ausgedünnt. Waren die konzerneigenen Blätter – neben der WAZ unter anderem die »Westfälische Rundschau«, die »Westfalenpost« und die »Neue Ruhr / Neue Rhein Zeitung« – schon vorher nicht für überbordende Qualität bekannt, bestellte man nun selbst die Agentur-Meldungen der dpa aus Kostengründen ab.

DJV: In guten Journalismus investieren

Nicht umsonst fordert der Deutsche Journalisten-Verband jetzt einen Ausbau der journalistischen Qualität des Zeitungskonzerns. Petra Grotkamp wäre gut beraten, in guten Journalismus zu investieren, appelliert der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken an die Konzernherrin in spe.

Im Gegensatz zum Journalisten-Verband ein kräftiges Wörtchen mitzureden hat der Testamentsvollstrecker der Brost-Enkel, Dr. Peter Heinemann. Die entscheidende Frage: Ist der Verkauf im Sinne des Erblassers? Dessen Witwe jedenfalls wird den Verkauf gewiss nicht verhindern: Anneliese Brost, die legendäre »Regentin von der Ruhr« (»Handelsblatt«), hatte wesentlichen Anteil am Aufbau des WAZ-Imperiums. Nie hätte sie die Zügel aus der Hand gegeben. Doch Anneliese Brost verstarb im vergangenen Herbst. Und Petra Grotkamp? Sie verklagte schon die eigenen Schwestern, als sie die Clanmacht gefährdet sah. Auch fiel ihr Name im Zusammenhang mit der CDU-Spendenaffäre. Gatte Günther, langjähriger Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, sagte aus, er habe eine Großspende seiner Frau gestückelt. Das Ziel: Die Veröffentlichungspflicht zu umgehen. Foto: dpa/Tschauner

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -