In München Kunst – in Nürnberg Industrie
Das 19. Jahrhundert zwischen Prachtbauten und Fabriken
München/Nürnberg (dpa/ND). Prachtstraßen, imposante Nationaldenkmäler wie die Befreiungshalle und die Walhalla – aber auch Zweckbauten wie Fabriken, Krankenhäuser und Bahnhöfe: Viele bayerische Städte verdanken ihr heutiges Erscheinungsbild zum großen Teil dem 19. Jahrhundert. »Gerade Gründerzeitviertel prägen außerhalb der Altstadtkerne bis auf den heutigen Tag die Städte«, sagt Egon Johannes Greipl, Leiter des bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.
Mit dem Tag des offenen Denkmals an diesem Sonntag wollen die Denkmalschützer landauf landab den Blick auf eben jene Bauzeugnisse lenken. Denn: »Das 19. Jahrhundert ist immer noch ein zu wenig beachtetes Feld. Viele denken beim Thema Denkmal nur an alte Schlösser und Burgen«, findet Greipl.
Dabei waren die Jahre zwischen 1800 und 1900 eine spannende Zeit für Bauherren und Architekten: Industrialisierung, technischer Fortschritt und die Landflucht vieler Menschen sorgten besonders in den Städten für große Umwälzungen. »Die Eisenbahn zum Beispiel war so eine große Bauaufgabe«, sagt Greipl. Nicht nur Schienen mussten verlegt, auch Bahnhöfe und Brücken gebaut werden. Dabei kamen auch neue Baustoffe wie etwa Stahl zum Einsatz.
Vor allem der Norden Bayerns wurde zum Zentrum der Industrialisierung im Königreich – denn nach den Plänen von König Ludwig I. (1786-1868) hatte München ein Ort der Kunst zu sein und Nürnberg die Stätte der Industrie. Das sei aber kein willkürlicher Akt zur Degradierung Frankens gewesen, sagt die mittelfränkische Bezirksheimatpflegerin Andrea Kluxen. Vielmehr habe in Nürnberg schon eine vielfältige Wirtschaftsstruktur bestanden, auf die man aufbauen wollte. »Mittelfranken repräsentierte die bayerische Gewerberegion schlechthin und konnte dabei auf traditionelle Gewerbe zurückgreifen.«
Große Industrieanlagen veränderten das Stadtbild gewaltig. 1852 gab es laut Kluxen 494 Fabriken in der Stadt. Die Produktionsstätten des 19. Jahrhunderts galten zwar zuallererst als Zweckbauten, seien jedoch mit »hoher handwerklicher Qualität« gebaut worden, sagt Greipl. »Durch den Niedergang der Schwerindustrie ist später aber vieles verloren gegangen«, bedauert er. Einige Fabrikgebäude aus dem 19. Jahrhundert hätten allerdings den wirtschaftlichen Wandel überstanden. Sie seien zu Museen ausgebaut worden oder zu Einkaufszentren. Auch moderne Lofts fänden sich heutzutage in einstigen Fabrikhallen.
Für viele andere Bauwerke des 19. Jahrhunderts ist das Thema Umnutzung natürlich tabu – sie sind touristische Anziehungspunkte geworden. Wenn auch König Ludwig II. mit seinen Schlössern Neuschwanstein und Herrenchiemsee als bekannter Wittelsbacher Bauherr gilt, so hat sein Großvater Ludwig I. eigentlich die wichtigeren architektonischen Spuren hinterlassen: Die Ludwigsstraße mit Universität und Staatsbibliothek, das Siegestor, die Feldherrnhalle oder die Alte Pinakothek prägen das Stadtbild Münchens noch heute. Die Walhalla und die Befreiungshalle thronen ebenso noch über der Donau, sie sollten im 19. Jahrhundert Ausdruck von nationaler Identität und Selbstbewusstsein sein.
Mit dem Pompejanum in Aschaffenburg wollte Ludwig ein Anschauungsobjekt für die Architektur der Antike schaffen. Und mit seinen Bauaufträgen für Bad Kissingen habe der Monarch einen »mondänen Kurort« geschaffen, um, wie Greipl ausführte, mit international bekannten Bädern wie Karlsbad in Tschechien oder Bad Ischl in Österreich konkurrieren zu können.
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