Dem Euro darf geholfen werden

Verfassungsgericht billigte Rettungsschirm / Haushaltsausschuss des Bundestags soll über Kredite entscheiden

  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bundesverfassungsgericht bekräftigte mit seinem Urteil zu den Eurorettungspaketen die Politik von Kanzlerin Merkel – und stärkte auch den Bundestag, dessen Haushaltsausschuss künftig über Kreditvergaben mitentscheiden muss.

Karlsruhe/Berlin (Agenturen/ND-Meyer). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hat in einem Urteil am Mittwoch die ersten Eurorettungspakete grundsätzlich gebilligt. Gleichzeitig stärkten die Richter und Richterinnen aber auch die Rechte des Bundestages. Künftig muss der Haushaltsausschuss des Parlaments über jeden weiteren potenziellen Schritt bzw. neue Rettungspakete entscheiden.

Mehrere Verfassungsrechtler und der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler hatten Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie sahen das Eigentumsrecht und das Wahlrecht (Artikel 14 und 38 Grundgesetz) der Bundesbürgerinnen und -bürger eingeschränkt. Letzteres war auch das Hauptargument der Beschwerdeführer: Durch die im Mai von Schwarz-Gelb beschlossenen Hilfen für Griechenland sahen sie das Parlament als die gewählte Vertretung seines Königsrechts beraubt – der Entscheidung über die zur Verfügung stehenden Finanzmittel, kurz: des Haushaltsrechts. Die Begründung: Im Mai beschloss die Bundesregierung öffentliche Bürgschaften über 22,4 Milliarden Euro und kurz darauf das erste Rettungspaket für Griechenland mit einem Anteil Deutschlands in Höhe von 123 Milliarden Euro. Diese Summen entsprächen einem so großen Teil des Bundeshaushalts, dass die Abgeordneten sich damit ihrer Haushaltsmacht beraubten. Der Bundesbürger hätte keine Wahl mehr, wie die von ihm gewählten Abgeordneten seine Steuergelder einsetzen sollen – also ein Verstoß gegen das grundgesetzlich garantierte Wahlrecht.

Die Karlsruher Richterinnen und Richter folgten dieser Argumentation nicht, Gauweiler und Co. blieben weitgehend erfolglos. Der Bundestag habe mit der Verabschiedung des »Euro-Stabilisierungsmechanismus-Gesetzes«, das den Rahmen für den Rettungsschirm setzt, und des »Währungsunion-Finanzstabilisierungsgesetzes« nicht sein Haushaltsrecht oder das künftiger Bundestage »in unzulässiger Weise beeinflusst«, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Auch das Eigentumsrecht sah der Zweite Senat nicht berührt. Es sei nicht schlüssig, dass durch die Eurohilfen für Griechenland eine große Schwächung der Kaufkraft des Euro eintreten werde.

Jedoch hatte Karlsruhe auch etwas zu beanstanden. Die im Rettungsschirmgesetz festgelegte Unterrichtungspflicht der Regierung gegenüber dem Bundestag reiche nicht aus. Zu einer verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes gehöre vielmehr, dass der Haushaltsausschuss jeder Kreditvergabe im Einzelfall vorher zuzustimmen hat. Das bedeutet eine Stärkung der Rechte des Parlaments, die von Schwarz-Gelb oft übergangen wurden.

Die Reaktionen auf das Urteil fielen gemischt aus. Die liberale Freiburger Denkfabrik »Centrum für europäische Politik« begrüßte die Karlsruher Entscheidung, da die Haushaltsautonomie des Bundestages gesichert sei, kritisierte aber, dass das BVerfG die Grenzen für »nicht überschaubare haushaltsbedeutsame Belastungen«, die der Bundestag nicht eingehen dürfte, nicht weiter definiert hat.

Bundesregierung und Opposition begrüßten das Urteil, und alle sahen sich bestätigt – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel sich in ihrem umstrittenen Kurs zur Eurorettung »absolut bestätigt« fühlte, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die Debatte um die Verfassungsmäßigkeit sei »hoffentlich jetzt beendet«. Bundestagspräsident Norbert Lammert (alle CDU) sieht hingegen eine Stärkung der parlamentarischen Demokratie und seiner selbst in seiner Forderung nach einer größeren Einbindung des Bundestages bei der Entscheidung über milliardenschwere Kredite. Es sei jetzt »glasklare Verfassungslage«, dass der Bundestag seine Budgethoheit nicht an andere Akteure abgeben dürfe.

Die Opposition sprach hingegen Merkel die Kraft zur Bewältigung der Eurokrise ab. Sie renne nur noch den Banken hinterher, sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi in der scharf geführten Bundestagsdebatte am Mittwoch. Jürgen Trittin (Grüne) sagte, Deutschland habe »die schwächste Regierung seit Jahrzehnten«. Nach Ansicht des rheinland-pfälzischen Regierungschefs Kurt Beck (SPD) stärkt das Eurourteil indes die Mitwirkung der Länder. Mittelbar würden damit die Beteiligungsrechte und -pflichten des Bundesrats verstärkt, teilte Beck mit und kündigte an, eine angemessene Beteiligung des Bundesrates einzufordern.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -