Schlauchboote gegen Walfänger
Mit spektakulären mediengerechten Aktionen kämpft Greenpeace für die Umwelt
Als Marke wäre Greenpeace heute ein Vermögen wert, in Deutschland jedenfalls. Ihr Bekanntheitsgrad und die zugebilligte Vertrauenswürdigkeit übertrifft die vieler Weltkonzerne. Als sich vor 40 Jahren eine Gruppe von amerikanischen Atomwaffengegnern mit einem alten Fischkutter von Kanada aus zu der Inselkette der Aleuten aufmachte, um dort gegen Atomwaffentests der USA zu protestieren, war diese Erfolgsgeschichte noch nicht abzusehen. Die erste Generation der Greenpeace-Aktivisten war noch stark vom etwas anarchistischen Geist der Antikriegsbewegung der 60er Jahre Jahre geprägt. Scheiterte die erste Aktion gegen die US-Tests noch am stürmischen Wetter und der Küstenwache, waren spätere Aktionen gegen die überirdischen Atomwaffenversuche Frankreichs in Französisch Polynesien deutlich erfolgreicher.
Dramatische Bilder und guter Draht zu den Medien
Das bis heute erfolgreiche Rezept von damals: spektakuläre, symbolträchtige Aktionen und ein guter Draht zu den Medien. Frankreich reagierte gewalttätig. Das erste Greenpeace-Schiff vor Ort, die »Vega«, wurde 1973 in internationalen Gewässern von Marinesoldaten geentert, die Umweltaktivisten zusammengeschlagen und abtransportiert. David McTaggart, von 1979 bis 1991 Vorsitzender von Greenpeace International, litt als Folge einer dabei erlittenen Verletzung an Sehstörungen. 1985 verübten dann zwei französische Geheimdienstagenten im Hafen von Auckland (Neuseeland) einen Bombenanschlag auf das Flaggschiff von Greenpeace, die »Rainbow Warrior«. Ein portugiesischer Fotograf kam dabei zu Tode. Das internationale Presseecho auf diesen Terrorakt brachte der bis dahin recht kleinen Umweltschutzorganisation international viele Sympathien und einen gewaltigen Aufschwung an Spenden und Mitgliedern. Die Spendeneinnahmen von Greenpeace International beliefen sich 2010 bereits auf 230,6 Millionen Euro. Der finanzstärkste nationale Verband ist seit Jahren der deutsche.
Die Aktionsfelder hatten sich längst erweitert: Greenpeace setzt sich für den Schutz der Antarktis vor kommerzieller Ausbeutung ein, bekämpft die Jagd auf Robben und Wale, prangert die Überfischung der Meere oder die Abholzung von Urwäldern an. Aus dem Protest gegen Atomwaffen wurde eine grundsätzliche Ablehnung der Atomkraft. Weitere Schwerpunkte seit den 90er Jahren sind die Ablehnung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und der Patentierung von Gensequenzen bzw. ganzen Lebewesen.
Kritik an starrer Hierarchie und »Bürokraten«
1986 legte sich Greenpeace auch mal mit der DDR an. Da schleppten zehn Aktivisten einen Zentner Salz vor das DDR-Umweltministerium und hängten auf dem Dach ein Transparent auf. Das Ziel: Die DDR sollte die Einleitung von Abfallsalz in die Werra einstellen. Diese Aktion war in doppelter Hinsicht ein Misserfolg. Das Transparent wurde schnell wieder vom Dach geholt, und die heute vom westdeutschen Konzern K+S betriebenen Kalibergwerke leiten noch immer Salz in die Werra ein.
Mit dem Wachstum kamen aber auch die Krisen. Nicht jedem aus den Anfangstagen gefiel die weitere Entwicklung. Dem Kanadier Paul Watson etwa war der friedliche Protest gegen den Walfang zu zahm. Bei seinem Austritt 1977 bezeichnete Watson Greenpeace als »Haufen tatenloser Bürokraten«. Das Greenpeace-Mitglied mit der Nummer 007 (so die selbst verbreitete Legende) gründete die »Sea Shepherd Conservation Society«, die seither gegen die Ausbeutung der Meereslebewesen kämpft. In der Wahl der Mittel sind Watsons »Meereshirten« nicht allzu zimperlich. Da werden schon mal Walfänger oder illegale Fischfangschiffe gerammt oder Schiffe im Hafen auf Grund gesetzt.
Und vom 1981 gegründeten deutschen Greenpeace-Ableger spaltete sich schon ein Jahr später »Robin Wood« ab. Deren Gründer lehnten die »starre Hierarchie« von Greenpeace ab.
Dem Gründungsmitglied Patrick Moore wiederum scheint Greenpeace zu radikal geworden zu sein. Er schied Mitte der 80er Jahre aus und entwickelte sich seither zu einem aktiven Lobbyisten der Atomkraft als »sauberer Alternative« zu Kohle und Öl. Auch bei der Gentechnik und der Waldnutzung ist Moore heute meist Gegner der einst von ihm mitgegründeten Organisation.
Kein Geld aus Wirtschaft und Politik
Dabei sucht Greenpeace heute durchaus das Gespräch mit der Wirtschaft. Blockierte man in den 80er Jahren schon mal Schiffe bei der Ausfahrt, die Abfälle im Meer verklappen wollten, so reicht heute oftmals die öffentliche Kritik. So etwa, wenn Sportartikelhersteller bei ihren Lieferanten in China auf den Ersatz schädlicher Chemikalien drängen sollen. Und der Einzelhandelskonzern Metro diskutierte mit der Greenpeace-Spitze Nachhaltigkeitskonzepte. Anders allerdings als etwa die ebenfalls global tätige Umweltstiftung WWF nimmt Greenpeace keine Gelder aus der Industrie oder der Politik, wie die Geschäftsführerin der deutschen Sektion, Brigitte Behrens, betont.
Trotzdem pflegt die Organisation noch immer das Image des Davids, der gegen Goliath kämpft: »Wir treten den ganz Großen dieser Welt auf die Füße«, sagt Gerhard Wallmeyer, Gründungsmitglied von Greenpeace Deutschland. Und das weltweit. »Für alle großen Themen haben wir internationale Umweltziele bis 2020 festgeschrieben. Wenn mein Kollege in Japan auftritt, hat er also die gleiche Forderung an die Politik wie wir in Deutschland«, sagt Behrens. Seit 2009 ist mit Kumi Naidoo erstmals ein Afrikaner Chef von Greenpeace International.
»Rainbow Warrior III« sticht im Oktober in See
Greenpeace verweist stolz auf eine ganze Palette von Erfolgen für den Umweltschutz. »Doch der größte politische Erfolg von Greenpeace überhaupt ist der Antarktis-Vertrag«, sagt Wallmeyer. Das internationale Abkommen zum Schutz der Antarktis trat 1998 in Kraft. Der Vertrag verbietet für mindestens 50 Jahre die Ausbeutung der Bodenschätze in der Antarktis und regelt Tourismus und Expeditionen auf dem »weißen Kontinent«.
Ein Schwerpunkt von Greenpeace International sind bis heute die Ozeane geblieben. Zu den derzeit drei Schiffen »Beluga II«, Arctic Sunrise« und »Esperanza« soll anlässlich des 40. Geburtstags im Oktober die nunmehr dritte »Rainbow Warrior« kommen, deren Bau in Bremen kurz vor dem Abschluss steht. Ihr Vorläufer, die »Rainbow Warrior II«, wurde dieser Tage nach Bangladesh gebracht, wo das Schiff künftig als schwimmendes Krankenhaus dienen soll.
Chronologie
15. September
1971: Eine Gruppe von Friedensaktivisten versucht, vor der
Küste Alaskas in einem kleinen Fischerboot einen Atomversuch zu
verhindern. Die Organisatoren nennen ihre Aktion »Greenpeace«.
13. Oktober
1980: Erste Aktion von Greenpeace in Deutschland:
Aktivisten in einem Schlauchboot blockieren das Schiff »Kronos« im Hafen
von Nordenham. Sie wollen damit auf die Verklappung von Dünnsäure in
der Nordsee aufmerksam machen. Der Aktion folgen weitere Proteste, bis
Jahre später das Abpumpen von Dünnsäure in der Nordsee verboten
wird.
10.
Juli 1985: Das Greenpeace-Schiff »Rainbow Warrior« wird vom
französischen Geheimdienst versenkt. Mit der »Rainbow Warrior« half
Greenpeace im Mai 1985 rund 300 Einwohnern der schwer
strahlenverseuchten kleinen Pazifikinsel Rongelap bei der Umsiedelung
auf eine andere Insel.
30. April 1995: Die
Ölplattform »Brent Spar« von Shell soll in der Nordsee versenkt werden.
Um das zu verhindern, besetzen Greenpeace-Aktivisten die Plattform.
Einige Wochen später muss der Shell-Konzern schließlich einlenken und
beschließt, die Plattform an Land zu entsorgen.
18. Januar
2006: Protestaktion gegen den Walfang: Greenpeace
transportiert einen 17 Meter langen und 20 Tonnen schweren toten Finnwal
bis vor die japanische Botschaft in Berlin. Die Umweltorganisation
überreicht dort einem Botschaftsmitarbeiter ein Schreiben, in dem das
Wissenschaftsministerium in Tokio kritisiert wird, das den japanischen
Walfang mit wissenschaftlicher Arbeit begründet.
22. Juni 2009:
Aus Protest gegen längere AKW-Laufzeiten erklimmen
Greenpeace-Aktivisten die Reaktorkuppel des Kernkraftwerks Unterweser in
Esenshamm (Niedersachsen), entrollen das Transparent »Atomkraft schadet
Deutschland« und malen einen Totenkopf auf die Kuppel.
2009:
Greenpeace hat nach eigenen Angaben weltweit rund drei
Millionen Fördermitglieder und beschäftigt rund 1200 Mitarbeiter. Es
gibt mehr als 40 Greenpeace-Büros weltweit.
ND
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