Eine Kehrtwende ist nötig

  • Cornelia Ernst
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Europaabgeordnete der LINKEN ist unter anderem Mitglied im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres.
Die Europaabgeordnete der LINKEN ist unter anderem Mitglied im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres.

Das Europaparlament hat am Dienstag die Reform der »Grenzschutzagentur« FRONTEX, dem Symbol überhaupt für die Abschottungspolitik der Europäischen Union, beschlossen. Die notwendige Zustimmung der Minister aus den einzelnen Mitgliedsstaaten im Rat ist eine reine Formsache, der Gesetzentwurf wurde schon im Vorfeld zwischen Parlament und Rat ausgehandelt. Mit der Reform sollte vor allem FRONTEX in seinen sogenannten operativen Kapazitäten gestärkt werden, also mit mehr Ausrüstung, Personal und Zuständigkeiten ausgestattet werden.

Statt wie bisher Fahrzeuge und Ausrüstung von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zur sogenannten Abwehr von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt zu bekommen, wird FRONTEX in Zukunft seine eigenen Jeeps, Boote und Hubschrauber kaufen oder leasen können, allein oder gemeinsam mit einem der EU-Staaten. Wie vor allem letzteres in der Praxis funktionieren wird, ist ziemlich unklar, und ich bin skeptisch, ob es funktionieren kann.

Damit bald mehr Mitgliedsstaaten an mehr Einsätzen teilnehmen, wird FRONTEX die vollen Kosten der Einsätze übernehmen, was natürlich den EU-Haushalt zusätzlich belasten wird. Mit einem Budget von heute knapp 90 Millionen Euro wird FRONTEX das kaum leisten können und die ersten Forderungen nach einer Erhöhung sind im Zuge der aktuellen Budget-Verhandlungen schon laut geworden. FRONTEX wird den Staaten auch Einsätze vorschlagen können, gestützt auf eine »Risikoanalyse«, die bewertet, mit wie vielen Flüchtlingen wo zu rechnen ist. Alleine der Begriff ist schon zynisch.

Nun sind in dem Gesetzentwurf auch Verbesserungen enthalten, die durchaus zu begrüßen sind. Endlich ist eindeutig klar, dass die Grundrechte der Europäischen Union, die Genfer Flüchtlingskonvention und das internationale Seerecht auch bei FRONTEX-Einsätzen gelten. Der Datenschutz wird verbessert – Daten von Flüchtlingen gehen nicht mehr grundsätzlich an Europol. Ein Verhaltenskodex für die Beamten wird erstellt, in Zusammenarbeit mit einem Konsultationsforum für Menschenrechtsfragen. Ein großer Wurf? Wohl kaum.

Denn was nützen die wohlklingenden Formulierungen, wenn ihre Einhaltung nicht kontrolliert werden kann? Die Einsatzpläne von FRONTEX werden auch zukünftig unter Verschluss bleiben und von keinem Parlament in Europa geprüft werden.

Der leitende Direktor von FRONTEX wird vom Verwaltungsrat berufen, in dem die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission vertreten sind – dem Europäischen Parlament muss er sich vor seiner Berufung nicht einmal vorstellen. Die Arbeit des Konsultationsforums wird nicht bindend sein und der neue Menschenrechtsbeauftragte ist zwar formal unabhängig, wird aber intern rekrutiert und seine Unabhängigkeit ist durch nichts abgesichert, er wird ein ganz normaler Angestellter sein, der kein Interesse hat, den Unmut seiner Kollegen auf sich zu ziehen.

Auch an der Abschiebepraxis wird sich nichts ändern, es wird eher mehr Abschiebungen unter Frontex-Kommando geben, nur in einem menschenrechtskonformen Gewand. Aber es ist eine völlige Illusion zu glauben, dass FRONTEX nun zum neuen Hüter der Menschenrechte mutiert. FRONTEX ist und bleibt das Zentrum einer verfehlten Politik, deren Ziel die Bekämpfung von Migration ist. Statt diese Politik zu verfestigen und mit einem freundlicheren Anschein zu versehen, braucht es eine Kehrtwende hin zu einer humanen und solidarischen Flüchtlingspolitik. Die ersten Schritte dazu sind die Abschaffung von Dublin II und eine Neuausrichtung der Nachbarschaftspolitik gegenüber den nordafrikanischen Staaten.

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