UBS-Händler verzockte zwei Milliarden
Erneut sorgt ein Skandal bei der größten Schweizer Bank für schweren Imageschaden
Ob an der Börse, im Parlament oder in der Zentrale der Schweizer Bank UBS: Die nüchterne Nachricht, verbreitet Minuten vor Beginn des Handels an der Zürcher Börse, schlug ein wie eine Bombe. »Die UBS hat festgestellt, dass es aufgrund von nicht autorisierten Handelsgeschäften eines Händlers ihrer Investmentbank zu einem Verlust gekommen ist«, heißt es darin. Dieser werde auf zwei Milliarden US-Dollar geschätzt. »Es ist möglich, dass die UBS deshalb im dritten Quartal 2011 einen Verlust bekannt geben wird.«
Der Kurs der Großbank ging umgehend auf Talfahrt, auch wenn er sich später leicht erholte. »Es ist unglaublich, dass so etwas immer noch passieren kann«, sagt ein Zürcher Aktienhändler kopfschüttelnd. Ein UBS-Mitarbeiter knirscht mit den Zähnen: »Diese Investmentbanker, es wird Zeit, dass die Sparte endlich dicht gemacht wird.« Die Londoner Polizei teilte mit, in der Nacht einen 31-jährigen UBS-Angestellten unter Betrugsverdacht verhaftet zu haben – vermutlich handelt es sich um einen Aktienhändler.
Weitere Fragen blieben zunächst ungeklärt. Handelte der Mann allein? Was steckte hinter seinen Geschäften? Vor allem: Wie kann es sein, dass niemand etwas mitbekam? Spätestens seit 2008, als die UBS mit Schweizer Staatsmilliarden vor dem Untergang gerettet werden musste, sollten interne Kontrollen verhindern, dass Investmentbanker sich verzocken. Täglich, so hieß es aus der Zentrale, würden die Nettopositionen jedes Händlers kontrolliert, jeder Missbrauch sei unmöglich. Leere Versprechungen, wie sich nun zeigt.
Der Verlust dürfte der UBS dabei weniger weh tun als der Imageschaden. Die größte Schweizer Bank stolpert seit Langem von einem Skandal zum nächsten: Vorwürfe wegen Steuerbetrugs, Schadenersatzforderungen im US-Hypothekencrash und jetzt das. »Reiche Anleger, die die UBS noch nicht verlassen haben, tun es jetzt«, reibt sich der Analyst einer Konkurrenzbank die Hände.
Entsetzt zeigten sich die Abgeordneten des Schweizer Parlaments, die die Nachricht kurz nach Beginn einer Debatte über die stärkere Regulierung von Großbanken erreichte. »Die haben nichts dazu gelernt«, empörte sich der FDP-Abgeordnete Philipp Müller. Der grüne Abgeordnete Daniel Vischer warf der UBS Selbstherrlichkeit vor und forderte eine verbindliche Aufteilung der Großbanken in ihre Unternehmensbereiche Investmentbanking und Privatkundengeschäft. Chancen hat dieser Vorschlag freilich nicht. Stattdessen musste die konservative Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf selbst ihre Forderung nach Erhöhung des Eigenkapitals von Großbanken gegen Blockadeversuche der rechts-populistischen Schweizer Volkspartei verteidigen, die im Parlament die größte Fraktion stellt. Selbst konservative Analysten warnen allerdings, dass Banken wie die UBS die entscheidende Kernkapitalquote leicht schönrechnen können.
Der Betrug des 31-jährigen UBS-Bankers ist kein Einzelfall: Der Investmentbanker Jérome Kerviel brachte 2008 die französische Großbank Société Générale an den Rand des Ruins, nachdem er 1,5 Milliarden Euro verzockte. Der Derivatehändler Nick Leeson floh, nachdem er mit seinen Spekulationen die älteste Immobilienbank Großbritanniens, Barings, versenkt hatte. Während die Branche immer von Einzelfällen spricht, glauben Kritiker, dass der Druck und das Bonussystem in den Investmentbanken Spekulationen fördern. Der Druck auf UBS-Chef Oswald Grübel dürfte jedenfalls wachsen, die Investmentsparte mit derzeit 18 000 Angestellten noch stärker zu schrumpfen als bisher vorgesehen.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!