Wohin führt Afghanistans Weg?

Hans-Christian Ströbele über die Lage am Hindukusch

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Parlamentarier sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages.
Der Parlamentarier sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages.

ND: Warum haben Sie sich gerade vier Tage in Afghanistan aufgehalten?
Ströbele: Ich wollte möglichst viele Meinungen einholen, um zu erfahren, wie sich die dortige Sicherheitslage in den letzten Jahren entwickelt hat und wie sie sich bis 2014 gestalten könnte. Außerdem wollte ich erkunden, welche Möglichkeiten es gibt, Verhandlungen in Gang zu bringen.

Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?
Wir hörten von allen Gesprächspartnern, die Mitglieder der Regierung nehme ich aus, dass die Sicherheitslage schlechter geworden sei. Viele Menschen erzählten, dass es zu gefährlich sei, sich frei zu bewegen. Auch Kabul sei nicht sicher, wurde uns mehrfach berichtet. Aussagen, die sich auf grausame Weise bestätigten, als 500 Meter von uns entfernt, wir saßen gerade im Hotel beim Mittagessen, die Anschläge im Diplomaten-Viertel begannen.

Glauben Sie, dass die Taliban verhandlungsbereit sind?
Wir haben mit zwei Mitgliedern der ehemaligen Taliban-Regierung gesprochen. Einer wurde erst vor zwei Wochen von der Schwarzen Liste der UNO gestrichen, der andere war vier Jahre Häftling in Guantanamo, vorher Botschafter der Taliban in Pakistan. Beide sagten, wenn ihre Sicherheit garantiert würde, seien sie zu Gesprächen bereit und würden gerne an der Petersberger Konferenz im Dezember teilnehmen. Und auch jene, die sich von den Taliban bedroht sehen, äußerten den Wunsch, dass diese an den Gesprächen beteiligt werden. Ohne Teilnahme aller Kriegsbeteiligten kann kein Frieden erreicht werden.

Kann die Petersberger Konferenz überhaupt Lösungen bieten?
In Afghanistan gibt es da sehr große Erwartungen: eine neue Regierung, neue Wahlen, Sicherheit und Frieden im Land. Diese Hoffnungen können nur enttäuscht werden, wenn nicht ein Wunder geschieht. Den großen Durchbruch wird die Konferenz nicht bringen, dafür sehe ich die Voraussetzungen nicht. Und ich kann verstehen, dass »Petersberg II« innenpolitisch in Frage gestellt wird, etwa wegen der geringen Beteiligung der Zivilgesellschaft oder der starken afghanischen Frauenbewegung.

Sie fordern, wie die Friedensbewegung, einen Waffenstillstand.
Reden ist immer besser als Schießen. Die ausländischen Soldaten von einem Tag auf den anderen abzuziehen, geht nicht. Das wichtigste ist doch, das Töten, also den Krieg, sofort zu beenden. Wir brauchen dringend einen Waffenstillstand. Die Drohnen- und Großangriffe, die Special-Force-Angriffe der Amerikaner müssen aufhören. Das gleiche gilt für die Anschläge und bewaffneten Angriffe, wie wir sie jetzt in Kabul seitens der Taliban erlebt haben. Wir können nur auf Gespräche setzen.

Inwieweit hat die afghanische Regierung dafür überhaupt etwas in der Hand?
Um das Ansehen der Regierung Karsai steht es schlecht. Formal hat sie alle Möglichkeiten. Aber ich glaube, sie könnte ihre Vorstellungen nicht durchsetzen, selbst wenn sie anderes wollte.

Die Friedensbewegung wirft den USA vor, dass sie keine Beendigung des Krieges, sondern nur eine Veränderung ihrer Militärstrategie anstrebten.
Man kann nicht mit Drohnen und Spezialkommandos ausrücken, um die Leute zu töten, mit denen man verhandeln will. Das ist kontraproduktiv und schafft eine schizophrene Situation.

Fragen: Antje Stiebitz

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