Prochorows Höhenflug endet jäh

In Russlands Vorwahlkampf spaltet sich die »Rechte Sache«

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Multimilliardär Michail Prochorow hatte zum steilen politischen Höhenflug angesetzt. Gelandet ist er in der vergangenen Woche auf dem Boden der russischen Tatsachen.

Erst Ende Juni hatte Michail Prochorow (Foto: AFP) die Führung der im Koma liegenden neoliberalen Partei »Rechte Sache« übernommen. Sie sollte bei den Parlamentswahlen am 4. Dezember die Stimmen des Großkapitals bündeln. Präsident Dmitri Medwedjew hatte das Vorhaben abgesegnet und Prochorow sogar im Kreml empfangen. Und das Justizministerium hatte die Neugründung in Rekordtempo legalisiert.

Der Wahlparteitag in der vergangenen Woche aber endete mit einem Eklat. Zuerst feuerte Prochorow die gesamte alte Führungsriege. Die berief daraufhin einen Gegenparteitag ein, setzte die alten Statuten wieder in Kraft und Prochorow als Parteichef ab. Rein juristisch, urteilte eine Beobachterin des Justizministeriums, sei das in Ordnung. Die Folge: Prochorows Gegner behalten Namen und Zulassung der Partei, können also bei den Parlamentswahlen antreten. Prochorow dagegen, der nun eine »echte Oppositionspartei« gründen will, bleibt aus Zeitgründen diesmal von den Wahlen ausgeschlossen.

Zugelassen als Parteien wurden in den letzten zehn Jahren nur »Kremlprojekte« – gegründet, um der Regierungspartei als Hilfstruppen die Stimmen jener zuzuführen, die die eigentliche Hausmacht des Präsidenten aus diesen oder jenen Gründen nicht wählen mochten, oder um die KP zu schwächen. Nie lebten sie länger als eine Legislaturperiode. Dass ein »Kremlprojekt« schon in der Startphase den Geist aufgab, ist allerdings neu in der russischen Politik und könnte für Überraschungen im Wahlkampf sorgen. Denn Kreml-Astrologen werten den Eklat als Ausdruck des Machtkampfs zwischen Medwedjew und Regierungschef Wladimir Putin.

Wortführer der Prochorow-Gegner ist jener Andrej Bogdanow, der zusammen mit Expremier Michail Kasjanow einst die Demokratische Partei gründete, deren Führung an sich riss und dann mit Prochorows Liberalen fusionierte. Als Autor des Masterplans gilt jener Mann, der auch andere »Kremlprojekte« erdachte: Wladislaw Surkow, der von Putin zum Vizechef der Präsidialverwaltung erhöht wurde und sein Amt auch unter Medwedjew behielt. Prochorow nennt ihn einen »Puppenspieler, der das gesamte politische System privatisiert hat«, und fordert seine Entlassung.

Putin schweigt, Medwedjew auch. Obwohl Prochorows Niederlage angeblich auch seine ist. Mit Prochorow, sagen manche, hätten die Liberalen bis zu 25 Prozent der Duma-Sitze bekommen – und Medwedjew endlich eine eigene Hausmacht.

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