Zu zögerlich, zu spät
Anhörung im Haushaltsausschuss zum Rettungsfonds EFSF
Aus Sicht des Bremer Wirtschaftsprofessors Rudolf Hickel wird mit dem aufgestockten Rettungsschirm EFSF, über den der Bundestag am 29. September abstimmen wird, vor allem Zeit gewonnen. Für die Bekämpfung der europäischen Schuldenkrise müssten weitere Maßnahmen getroffen werden. Bei der gestrigen Anhörung im Haushaltsausschuss des Bundestages forderte Hickel ein neues Sanierungskonzept. »Das jetzige Konzept führt dazu, dass in Griechenland durch die eingeforderte Ausgabendisziplin und die Erhöhung der Mehrwertsteuer das Problem noch verschärft wird«, kritisierte der Ökonom. Hilfreich könne vielmehr eine Art Marshall-Plan sein.
Zudem forderte Hickel eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte. Denn Spekulanten würden auf einen Absturz Griechenlands setzen, der ihnen dann viel Geld einbringen würde. Die Finanzmärkte könnten auch durch die Einführung gemeinsamer Staatsanleihen der Euro-Staaten, sogenannte Eurobonds, entwaffnet werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich dadurch die Zinskosten für verschuldete Euro-Staaten verringern würden.
Doch die schwarz-gelbe Bundesregierung hat Eurobonds bisher abgelehnt. Wenig überraschend äußerte sich auch der Wirtschaftswissenschaftler und Berater von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Clemens Fuest, negativ zu den gemeinsamen Staatsanleihen. Dass die anderen Euro-Länder für Griechenland zahlen, sei auf Dauer keine Lösung, sagte Fuest. Aus seiner Sicht stünde Griechenland bereits am Beginn einer »geordneten Insolvenz«.
Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann positionierte sich gegen einen »drohenden Haftungsverbund zwischen armen und reichen Ländern«. Außerdem gehen ihm die »Reformbemühungen« in Griechenland nicht weit genug. Deren grundsätzliche Zielrichtung sei zwar richtig, aber es bestehe die Gefahr, dass »hierbei die Anreize zu einer soliden Haushaltspolitik teilweise geschwächt werden«. Allerdings sind bereits jetzt Hilfen für kriselnde Euro-Staaten an Bedingungen geknüpft, dass diese einen harten Sparkurs fahren. Dies wird auch für die Hilfsinstrumente im Rahmen des aufgestockten EFSF und des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gelten, der im Jahr 2013 in Kraft treten und dann den befristeten EFSF ablösen soll.
Weidmann kritisierte zudem, dass künftig durch den EFSF Staatsanleihen verschuldeter Euro-Staaten aufgekauft werden können. Der Banker sorgte sich vor allem um Privatinvestoren, die vom Markt verdrängt werden könnten.
EFSF-Chef Klaus Regling sah dagegen erste Erfolge aufgrund der internationalen Hilfsprogramme. Irland und Portugal bescheinigte er eine erfreuliche Entwicklung. Weniger optimistisch zeigte sich der Ökonom Henrik Enderlein, SPD-Mitglied und Professor an der Berliner Hertie School of Governance: Die Politik habe durch ihr Zögern bisher zu wenig getan und zu spät auf die Krise reagiert.
Sollten demnächst auch andere Euro-Länder wie etwa Italien stärker von der Krise betroffen sein, ist fraglich, ob der EFSF ausreicht, um eine sich immer weiter verschärfende Krise im Euro-Raum abfedern zu können.
Neben den neuen Instrumenten sieht der erweiterte EFSF vor, dass der deutsche Anteil an den im Notfall übernommenen Kreditbürgschaften auf 211 Milliarden Euro steigen soll. Die Euro-Länder erhöhen insgesamt ihre Garantien für Kredite auf 780 Milliarden Euro. Obwohl auch einige Bundestagsabgeordnete aus den Fraktionen der Regierungsparteien CDU, CSU und FDP den EFSF ablehnen, werden voraussichtlich die meisten Parlamentarier dem erweiterten Rettungsfonds zustimmen.
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