»Der Papst soll lieben lernen«
Demoorganisator Robert Kastl über die menschenfeindliche Politik des Papstes und die Macht der katholischen Kirche
ND: Sind Sie eigentlich getauft?
Kastl: Ich wurde 1971 in Wien geboren und wie fast alle Österreicher meiner Generation natürlich katholisch getauft. Die Erstkommunion folgte im Alter von sechs, aber schon mit 14 war mir klar, dass ich schwul bin, und ich haderte mit der Kirche. Deshalb sträubte ich mich gegen die Firmung und trat mit 19 aus der Kirche aus.
Und sagen jetzt: Keine Macht den Dogmen.
Ja. Das ist das Motto des Bündnisses. Wir protestieren gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes, die Menschen in schwere Gewissenskonflikte stürzt, zu Krankheit verdammt und ihren Tod billigend in Kauf nimmt. Wir fordern die Trennung von Kirche und Staat sowie reproduktive Rechte, also künstliche Befruchtung und Abtreibung.
Seit Jahren organisieren Sie die Lesben- und Schwulenparade am Christopher Street Day in Berlin. Wird die Anti-Papst-Demo am Donnerstag ein zweiter CSD?
Die Demonstration soll auf jeden Fall ähnlich bunt, kreativ und vielfältig werden. Das Bündnis hat das Motto »Keine Macht den Dogmen« beschlossen und jeder kann die Art seines Demonstrationsbeitrags selbst bestimmen. Es wird alles dabei sein: von klassisch Demonstrieren mit Bannern bis zum Papamobil mit zwei Päpsten und Päpstinnen. Elf Fahrzeuge und viele Fußgruppen sind angemeldet. Und es werden Kondome verteilt. Einige wollen mit Pappmaschee-Figuren kommen: So soll eine Nonne mit Knüppel in der Hand auf den Missbrauch in der katholischen Kirche hinweisen und eine Dinosaurier-Figur auf die Kirche als Institution anspielen.
Offiziell ist ja nicht das Oberhaupt der katholischen Kirche auf Deutschlandbesuch, sondern der Staatschef von Vatikanstadt. Was halten Sie davon?
Das Argument ist absolut vorgeschoben. Die Staatsoberhäupter, die bis jetzt vor dem Bundestag sprechen konnten, waren alle Staatsoberhäupter von Staaten, die entweder politisch extrem wichtig sind, wie die USA oder Russland, oder Staaten, die aus anderen bündnispolitischen Gründen wichtig sind, wie Frankreich oder Israel. Aber der Vatikan als Kleinstaat mit gerade 580 Staatsbürgern? Das ist ein Scherz! De facto darf der Papst vor dem Bundestag sprechen, weil er der katholische Religionsführer ist.
Hätten Sie weniger Kritik, wenn alle Oberhäupter der Weltreligionen das tun dürften?
Das wäre aus Gerechtigkeit vielleicht noch akzeptabel. Aber es gibt eine offenkundige Ungleichbehandlung. Der Dalai Lama durfte zum Beispiel nicht im Bundestag sprechen, aus Rücksicht auf chinesische Interessen.
Generell hat ein Religionsführer überhaupt nichts in einem staatlichen Parlament verloren, egal welcher Religion. Es gibt eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat und die muss bitte eingehalten werden. Es kann nicht sein, dass der Papst oder ein anderer Religionsführer, sei es ein islamischer, jüdischer oder von mir aus Rastafari, die Abgeordneten belehrt, wie sie sich zu moralischen Fragen zu verhalten haben.
Offenkundig ist die katholische Kirche sehr mächtig in Deutschland.
Ja, das Selbstbestimmungsrecht der Kirche geht in Deutschland viel weiter als in anderen Ländern. Es kann nicht sein, dass die Kirche per Gesetz Sonderregelungen bekommt und nach anderen Maßstäben handelt als andere Institutionen. Wenn ein Gesetz die allgemeine Gleichstellung verlangt, ist es nicht nachvollziehbar, warum ein Arzt in einem katholischen Krankenhaus nicht geschieden sein darf, warum eine Putzfrau in einem katholischen Kindergarten nicht lesbisch sein kann. Das widerspricht ganz klar unserer Verfassung. Aber es passiert trotzdem. Das sind keine ausgedachten Beispiele.
Welche Forderung würden Sie gern als allererstes dem Papst in den Kopf setzen?
Er sollte mit seinem missionarischen Eifer aufhören, andere von der eigenen moralischen Überlegenheit überzeugen zu wollen und damit Hass zu verbreiten. Nächstenliebe ist doch der zentrale katholische Wert! Kurz gesagt: Der Papst soll lieben lernen.
Termine:
PAPST-ENTZAUBERUNG - Vom bejubelten Medienstar zum peinlichen Pontifex – der Abstieg des Joseph Ratzinger
»Begrüßung« des katholischen Oberhauptes
Die Anti-Papst-Bündnisse
Das Protestzentrum: »Der Papst kommt!«, der alarmierende Name hat gewirkt: Mehr als 65 Organisationen haben sich zusammengeschlossen, vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, über DGB und Parteijugenden, bis zum Humanistischen Verband, Terre des Femmes und Pro Familia. Auftakt zur Großdemo ist 16 Uhr am Potsdamer Platz. Markenzeichen: undogmatisch, vielfältig, wie Berlin.
www.derpapstkommt.de
Die Papstverhüter: Auch in Freiburg, zum Abschluss des päpstlichen Staatsbesuchs, protestieren Lesben und Schwule, Stadträte, Naziverfolgte bis hin zu linken Motorradrockern. Ihr Symbol ist ein rosa Kondom über dem Turm des Münster. Und ihr Ziel ist zu verhindern, dass sich der Papst im Goldenen Buch der Stadt verewigen darf. Mehr als 4000 Menschen haben für diese Verhütungsmaßnahme unterschrieben.
www.freiburgohnepapst.de
Die Linksradikalen: Die linke Szene teilt sich in zwei Bündnisse, die beide nicht nur Sexismus und Homophobie, sondern auch Antisemitismus in der katholischen Kirche kritisieren, die in der Ehrung faschistischer Geistlicher und der Wiederaufnahme des Holocaustleugners Richard Williamson zum Ausdruck kommen. Das mehr antideutsche Spektrum von »What the fuck« will den Papst schon am Flughafen Tegel einen unfreundlichen Empfang bereiten. Das andere Bündnis »Not welcome!« um die Antifaschistische Linke Berlin bildet einen Block auf der Großdemo und will dem Papst ab 19.30 Uhr vor seiner Unterkunft in Kreuzberg den Schlaf rauben.
www.nea.antifa.de/notwelcome
www.whatthefuck.blogsport.de
Die Dekonstruktivisten: In Erfurt rufen linke Gruppen für Freitag zu »Heidenspaß statt Höllenangst!« auf (18 Uhr, Bahnhof). Wie zu hören ist, läuft die Mobilisierung eher mau. Aber Desinteresse ist vielleicht eh der wirksamste Protest.
www.papstabschaffen.blogsport.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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