Müll als Goldmine

Deregulierung des Abfallrechts lässt Bürger auf den Kosten sitzen

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 3 Min.
Müll ist angesichts weltweit steigender Rohstoffpreise längst nicht mehr nur Müll. Das hat sich herumgesprochen. Neu ist, dass die Bundesregierung mit ihrer Novelle zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts der privaten Müllindustrie satte Gewinne zuschanzt. Kommunen und Bürger bleiben auf dem sprichwörtlichen Abfall sitzen.

Diese Woche ist der Kampf um die Goldmine Müll in die vorerst letzte Runde gegangen. Am Montag war der im März verabschiedete schwarz-gelbe Gesetzesentwurf zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts das Thema einer öffentlichen Expertenanhörung im Umweltausschuss des Bundestages. Durch die Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht werde »das bestehende deutsche Abfallrecht umfassend modernisiert«, so das federführende Umweltministerium. Neben der »nachhaltigen Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes« werden als Ziele »Ressourceneffizienz in der Abfallwirtschaft« durch »Stärkung der Abfallvermeidung« und »Recyclings von Abfällen« aufgeführt.

Nebst Anpassung des deutschen Rechts an die EU-Terminologie wird eine neue »fünfstufige Abfallhierarchie« eingeführt. Sie legt eine Stufenfolge aus Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Recycling und anderer Müllverwendung, etwa der energetischen Verwertung von Abfällen durch Heizkraftwerke und schließlich die Abfallbeseitigung fest. Ab 2015 soll zudem die Pflicht zur Getrenntsammlung von Bioabfällen, Papier, Metall, Kunststoff und Glas gelten. Auch die Recycling-Quote wird geregelt. Bis 2020 sollen 65 Prozent aller Siedlungsabfälle wiedergenutzt werden, die Verwertungsquote von 70 Prozent für Bauschutt soll bis zum Ende des Jahres 2016 geschafft sein.

Allerdings kommt im Umweltmäntelchen verkleidet auch die Privatisierung des lukrativen Müllgeschäfts um die Ecke geschlichen. Heftig umstritten sind Artikel 17 und 18 zur »öffentlich-rechtlichen Entsorgung und Beauftragung Dritter«. Fielen alle Haushaltsabfälle bisher den Kommunen zu, kann nun jeder gewerbliche Anbieter ohne Ausschreibungen seine eigenen Mülltonnen aufstellen. Was die von den Kritikern genannte »Rosinenpickerei« für ein gutes Geschäft ist, kann man schon heute in Berlin besichtigen. Hier stellt die Firma ALBA im Pilotprojekt »Gelbe Tonne plus« eigene Wertstofftonnen in die Hinterhöfe der Häuser, hinein kommen Elektroschrott, Holz und Textilien. Deutschlandweit haben diese »Sekundärrohstoffe« laut ALBA einen Wert von sechs Milliarden Euro. Die Abfallindustrie ist in Goldgräberstimmung. Enthält eine Tonne Erz einer Kupfermine bis zu 50 Kilogramm Kupfer, sind es in einer Tonne Althandys fast 70 Kilogramm.

»Die Novelle gibt den gewerblichen Müllunternehmern die Lizenz zum Goldschürfen, die kommunalen Abfallentsorger aber bleiben auf dem teuren Abraum sitzen«, kommentiert die Linksparteiabgeordnete Eva Bulling-Schröter, Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, die neuen Verordnungen gegenüber ND. Tritt das Gesetz in Kraft, könne sich die Abfallindustrie auf Mehreinnahmen um die 800 Millionen Euro jährlich freuen, warnt auch Ralph Lenkert. »Die geplante Liberalisierung des deutschen Abfallrechts wird den Verbraucher am Ende viel Geld kosten«, sagt der linke Fachpolitiker für Abfallwirtschaft. Er rechnet mit höheren Gebührenbescheiden von um die zehn Euro pro Haushaltsmitglied.

Auch die Städte und Gemeinden schlagen Alarm. »Die Kommunen müssen den Rest sammeln, der keine Erlöse bringt. So sieht kein fairer und gleichberechtigter Wettbewerb aus«, heißt es aus dem Deutschen Städtetag. Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, Wolfgang Steiger, sieht das anders: Private Unternehmen dürften nicht aus der Wertstofferfassung bei Privathaushalten »verdrängt werden, um durch die Hintertür neue kommunale Monopole zu schaffen«.

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