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Dick Cheney bleibt ein Mann der Folter

Proteste bei Auftritt in Kanada / Menschenrechtler wollen Verhaftung

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 4 Min.
Hunderte Aktivisten protestierten am späten Montagabend (Ortszeit) in Vancouver gegen einen Auftritt von Dick Cheney. Der ehemalige US-amerikanische Vizepräsident stellte seine umstrittene Biografie vor.

»Schämt euch«, »Schämt euch«, schallte es am Montagabend jenen entgegen, die für 500 Kanadische Dollar eine Veranstaltung des privaten »Bon Mot Book Club« besuchen wollten, um Dick Cheney zu erleben, und sich nun mühsam durch Hunderte Protestierer drängeln mussten. Der einstige Stellvertreter von USA-Präsident George W. Bush sollte in Vancouver sein gemeinsam mit Tochter Liz verfasstes Buch »In My Time: A Personal and Political Memoir« vorstellen und mit den handverlesenen Gästen über diese acht Jahre in der Washingtoner Administration plaudern. Für die Frauen und Männer vor der Tür ein Unding. »Verhaftet Dick Cheney«, »Verhaftet den Mörder«, skandierten sie.

Überrascht und enttäuscht zeigte sich etwa Gail Davidson von der Gruppe »Rechtsanwälte gegen den Krieg«, dass Cheneys Einreise erlaubt worden war. Und der Abgeordnete Don Davies betonte, dass sein Land kein sicherer Ort für Menschen sein dürfe, die Folter zu verantworten hätten. Zumal Kanada zu den Unterzeichnern der Konvention gegen Folter gehört. »Human Rights Watch« hatte von Ottawa am Vorabend der Visite die Festnahme Cheneys gefordert.

Die kanadischen Behörden müssten ihn wegen der Misshandlung von Gefangenen vernehmen, erklärte die Menschenrechtsorganisation in New York. Es gebe »eindeutige Beweise« für die Verwicklung der Bush-Regierung in die Folter von mindestens zwei kanadischen Staatsbürgern. Der in Syrien geborene Maher Arar sei aufgrund falscher Informationen in New York festgenommen, nach Damaskus abgeschoben und dort gefoltert worden. Der in Kanada geborene Omar Khadr soll als Al-Qaida-Kämpfer einen US-Soldaten getötet haben und wurde »harschen Verhörmethoden« unterzogen, obgleich er erst 16 Jahre alt war.

Richard Bruce »Dick« Cheney ist inzwischen 70. Und kein bisschen weise. Auch in seinen Memoiren – mit Verkaufsgespür unmittelbar vor dem 10. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2011 am Markt platziert – und in diversen aktuellen Interviews präsentiert sich der Republikaner als unbelehrbarer Hardliner und Strippenzieher in Washington. Schon im Prolog seiner Biografie lernt der Leser, dass er es am Schreckenstag war, der im Geheimbunker unter dem Weißen Haus die Entscheidungen traf, während Bush in seiner Air-Force-One durchs Land irrte.

Ob Irak-Krieg oder Gefangenenlager in Guantanamo, es war der vorgeblich zweite Mann der Regierung, der den Kurs vorgab und dabei die US-amerikanische Verfassung wie das Völkerrecht zu Makulatur erklärte. Am liebsten hätte er später auch noch vermeintliche Atomanlagen in Syrien und Iran bombardiert, aber in der zweiten Amtszeit sei sein Einfluss im Kabinett dann doch gesunken. Eine Condoleezza Rice war in seinen Augen viel zu weich, von Colin Powell ganz zu schweigen. Bei der Durchsetzung der geostrategischen Interessen der USA heiligt für ihn der Zweck alle Mittel; günstig natürlich, wenn das auch den eigenen dient. So war und ist Cheney eng mit großen Kriegsausrüstern und Ölfirmen verbandelt.

Zweifel, Selbstkritik, all das ist diesem erzkonservativen Machtpolitiker fremd. Bei ihm ist das berüchtigte Lager von Guantanamo, wo hunderte Terrorverdächtige jahrelang im rechtsstaatlichen Niemandsland festgehalten und misshandelt wurden, ein »Modellgefängnis«, »sicher, sauber und human«. In seinem Rückblick wird der Irak-Krieg zum größten politischen Erfolg der Bush-Ära. Und noch immer hält er an den Lügen von den irakischen Massenvernichtungswaffen oder der Verbindung zwischen Saddam Hussein und Al Qaida fest. »Bei allen Verlusten, die wir in diesem Konflikt erlitten, haben die Vereinigten Staaten nie die moralische Orientierung verloren.«

Wenn intelligente Marsmenschen dieses Buch lesen würden, bekämen sie nicht die geringste Vorstellung davon, »dass Dick Cheney der Vizepräsident einer der unglückseligsten amerikanischen Regierungen der modernen Geschichte war«, schrieb die »Washington Post« mit einer gewissen Fassungslosigkeit. Zu diesem Bild gehört auch, das dieser Mann unbeirrt weiter für Folter eintritt. Denn dem sogenannten Waterboarding, dem qualvollen simulierten Ertränken von Verdächtigen, seien wertvolle Informationen im Anti-Terrorkrieg zu verdanken. Alles im Einklang mit internationalen Verpflichtungen und Abkommen, wie er jetzt erneut in einem Interview behauptete. Cheney jedenfalls bereut nichts, höchstens seine »vergeudete Jugend«, und zeigt sich sehr erfreut darüber, wie er mit seinem Protest erreicht habe, dass die Obama-Regierung in dieser Angelegenheit schließlich doch nicht ermittelte.

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