Stevens kommt nach Hamburg

Schalker erfreuen sich vor HSV-Spiel am begehrten Trainer - die Gegner suchen weiter

»Wer nich kümmt, de kann sein Moors nich twischen de Dör kriegen.« In Hamburg ist derzeit nicht einmal mehr Verlass auf alte Weisheiten. Am Sonntag kommt Huub Stevens nun doch zum HSV und bekommt seinen Hintern, wie das Sprichwort sagt, zwischen die Tür. Allerdings nicht als Retter des hanseatischen Tabellenletzten, sondern als neuer Trainer des Gegners Schalke 04. Wie zuletzt oft im Kampf um Bundesligapunkte ging der HSV auch als Verlierer aus dem Rennen um den 57-jährigen Niederländer hervor - und bestätigte dabei seinen Ruf als Chaosklub.

Die Aufbruchstimmung vom Frühjahr ist längst verflogen. Nicht nur wegen der verheerenden Bilanz von nur einem Sieg in 14 Ligaspielen, auch weil die damaligen Hoffnungsträger keine mehr sind. Carl-Edgar Jarchow löste den viel gescholtenen Bernd Hoffmann als Vorstandschef ab. Auch ihm gilt die Kritik Günter Netzers: » Beim HSV hat keiner Ahnung vom Fußball.«

Einen nahm der ehemalige HSV-Manager von seiner Kritik aus: Frank Arnesen. Nach fast zweijähriger Suche sollte der neue Sportdirektor dem Klub wieder einen klaren Kurs geben. Nun, nach der Entlassung von Trainer Michael Oenning, wollte Jarchow auf keinen Fall einen »Feuerwehrmann«, Arnesen aber nur einen Coach »für neun Monate, alles andere kommt danach«. Der späte Versuch, Einigkeit zu demonstrieren, las sich dann so: »Wir brauchen einen Trainer, der sich zu hundert Prozent für uns entscheidet.« Weil Huub Stevens gleichzeitig mit zwei Vereinen verhandelte, brach angeblich der HSV die Gespräche ab.

Auf jeden Fall hat sich Stevens für den FC Schalke 04 entschieden. Für den Verein, bei dem er bis 2002 sechs erfolgreiche Jahre hatte. Auch aufgrund des 1997 gewonnenen UEFA-Pokals wählten die Schalker Fans Stevens zu ihrem Jahrhunderttrainer. Kurz und knapp: eine Herzensentscheidung. Und das von beiden Seiten. »Er war unser Wunschkandidat«, freute sich Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. Er habe sich nach dem krankheitsbedingten Rücktritt von Ralf Rangnick aber auch vor Interessenten auf den Posten kaum retten können: »Schalke zieht.«

Und Schalke kommt nicht nur mit dem neuen Trainer nach Hamburg, sondern auch mit viel Rückenwind. Der urplötzliche Abschied von Rangnick hat scheinbar kaum Spuren hinterlassen. Am vergangenen Wochenende wurde der SC Freiburg 4:2 geschlagen, am Donnerstag eroberte Königsblau nach Toren von Christian Fuchs (8. Minute, 65.) und José Manuel Jurado (82.) mit einem 3:1 gegen Maccabi Haifa Platz eins in der Gruppe J der Europa League. Und am Sonntag? »Da will ich gewinnen«, sagt Stevens - kurz und knapp.

Bei den Hamburgern sitzt dann ebenfalls zum zweiten Mal Interimstrainer Rodolfo Esteban Cardoso auf der Bank. Nach dem ersten Saisonsieg will er »die Euphorie gegen Schalke nutzen«. Unter dem Argentinier gelang am vergangenen Freitag in Stuttgart der erste Auswärtserfolg seit dem 12. Februar. Auch dieses seltene Erlebnis soll eine Rolle bei der Absage an Stevens gespielt haben. Egal, die Trainersuche beim HSV geht weiter. Und auf eines kann man sich selbst in Hamburg verlassen: »Un süüd dat ut noch so schlech, dat lööbt als wedder trech.« Frei übersetzt: Wird schon wieder!

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