Zurück zu Ludwig Erhard
Grüne diskutierten bei ihrer Schuldenkonferenz über Wege aus der Wirtschaftskrise
Wenig überraschend spricht sich Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in seiner Eröffnungsrede für die Einhaltung der Schuldenbremse aus. Diese ist im Grundgesetz verankert und macht Bund und Ländern Vorgaben zur Reduzierung des Haushaltsdefizits. Allerdings räumt Trittin ein: »Der schlanke Staat hat als Leitbild ausgedient.« Der Grünen-Politiker, der sich im parteiinternen Konflikt um die Erhöhung des Spitzensteuersatzes für 49 Prozent statt 45 Prozent, was derzeit grüne Beschlusslage ist, einsetzt, hält ein Plädoyer für mehr Umverteilung. In Anwesenheit von Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, den die Grünen aufs Podium eingeladen haben, spricht Trittin als Krisenursache sogar von einer gefährlichen Vermögenskonzentration, im Marxschen Sinne von einer Überakkumulationskrise. Dagegen müsse eine Vermögensabgabe nach dem Modell des Lastenausgleichs des früheren CDU-Wirtschaftsministers und Bundeskanzlers Ludwig Erhard eingeführt werden. Zudem fordert Trittin Investitionen in die ökologische Transformation der Wirtschaft. Die Grünen gehen davon aus, dass dann in diesem Bereich neue Jobs entstehen.
Der Beitrag der früheren rot-grünen Bundesregierung zur Staatsverschuldung wird von Trittin indes nicht thematisiert. Vielleicht ist auch deswegen der Blick von Horn bei seiner Rede vor allem auf den Grünen-Fraktionschef gerichtet, als er moniert, die Steuersenkungen in den vergangenen zehn Jahren seien ein großes Problem gewesen, anstatt in konjunkturell besseren Zeiten die Staatsschuldenquote zurückzuführen. Der Keynesianer ist ein Kritiker der Schuldenbremse. Denn man könne nicht genau voraussagen, wann der Staat wieder in die Wirtschaft eingreifen müsse. »In den Jahren 2001 bis 2004 hätte uns eine Schuldenbremse erdrosselt«, gibt Horn zu bedenken.
Sein Gegenpart auf der Bühne ist der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Hüther ist ein Verfechter der Schuldenbremse. »Auch die Schweiz hat eine Schuldenbremse. Und diese hat das Land nicht ins Unglück gestürzt«, sagt der Ökonom. Um den Staatshaushalt zu entlasten, fordert Hüther von den Bürgern, auf Ansprüche gegenüber dem Staat zu verzichten und ihre Eigenverantwortung zu stärken. Er ist bekannt dafür, dass ihm die neoliberalen Reformen des deutschen Sozialstaates nicht schnell genug gehen. So forderte Hüther erst kürzlich, die Rente mit 70 Jahren einzuführen.
Die Grünen decken bei ihren Veranstaltungen inzwischen ein breites Spektrum ab. Das gilt nicht nur für die Gäste auf dem Podium, sondern auch für die Zuhörer. Bei dem abschließenden Applaus für die jeweiligen Diskutanten Horn und Hüther ist kaum ein Punktsieger auszumachen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.