Am Ende der Fahnenstange
Bus- und Tramfahrer im Südwesten streiken
Alle Räder stehen still. Nichts geht mehr bei den Nahverkehrsbetrieben in Baden-Württemberg. Die Bus- und Tramfahrer sind von Montag früh bis Mittwoch morgen in einen Warnstreik getreten. Betroffen sind die badischen Städte Karlsruhe, Freiburg, Konstanz, Pforzheim und Baden-Baden sowie die württembergischen Gemeinden Stuttgart, Esslingen und Heilbronn. Kein Fahrzeug hat seither die Depots verlassen.
Ausgenommen sind nur die Busse und Bahnen, die nicht unter den Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N) fallen. Gleichzeitig läuft eine Urabstimmung für unbefristete Arbeitsniederlegungen. Die Fahrer und ihre Gewerkschaft ver.di verlangen einen gesonderten Spartentarifvertrag für die Nahverkehrsbeschäftigten (ND berichtete). Außerdem fordern sie Extrazahlungen für ver.di-Mitglieder.
Zeichen auf Sturm
Der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) Baden-Württemberg lehnt strikt ab. Er bietet mehr Urlaubstage, ein höheres Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie verbesserte Eingruppierungen. Ein Spartentarif käme aber nicht in Frage, betonte KAV-Geschäftsführer Joachim Wollensak im Gespräch mit ND. Die Kommunen wollten sich keinen zweiten »Marburger Bund« einhandeln. Wollensak spielte damit auf die durchsetzungsstarke Ärztegewerkschaft an, die mit den Krankenhausverbänden autonom verhandelt.
Auch bei ver.di stehen die Zeichen auf Sturm. Als Grund für das Scheitern der Tarifverhandlungen benannte die Gewerkschaft den Stillstand beim Spartentarif und Mitgliederbonus. Solange die Kommunen hier kein Entgegenkommen zeigten, seien alle Annäherungsversuche sinnlos, sagte Rüdiger Steinke von ver.di Mittelbaden auf ND-Nachfrage. Die Streikposten haben schon vor Monaten mit kurzfristigen Warnstreiks ihre Entschlossenheit bewiesen und machten unmissverständlich klar, dass es ohne Spartentarifvertrag zum unbefristeten Ausstand kommen werde. Obwohl man bei Streiks im öffentlichen Dienst immer als »Speerspitze« gewirkt habe, werde man schlechter behandelt als die Verwaltungsangestellten, hieß es schon damals. »Das Ende der Fahnenstange ist erreicht«, bekräftigte Steinke am Montag.
An private Betreiber?
Entsetzt zeigte sich KAV-Leiter Wollensak. Die Verhandlungsposition von ver.di bedeute eine »Radikalisierung«, die man sich zuvor nicht habe vorstellen können. Außer in den beiden strittigen Punkten sei man der Gewerkschaft weit entgegen gekommen. Viel mehr könnten sich die Gemeinden nicht leisten, wenn sie den Nahverkehr weiterhin selbst betreiben wollten. Wollensak befürchtet, dass ein Spartentarifvertrag für Busse und Bahnen zu weit höheren Gehaltsabschlüssen als im öffentlichen Dienst führt. Er kennt die Kampfkraft von ver.di und fährt zur Abwehr schweres Geschütz auf: die Kommunen könnten sich gezwungen sehen, den Nahverkehr an private Betreiber abzugeben.
Wollensak bestätigte damit eine Äußerung des wiedergewählten Chefs der KAV, des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon (Grüne). Der hatte die Forderungen der Bus- und Tramfahrer als »Wasser auf die Mühlen« von Privatisierungsbefürwortern bezeichnet. Ver.di-Sekretär Steinke wies die kaum verhüllte Drohung zurück: »Das erschreckt uns nicht mehr.« Der Verkauf der Mehrheitsanteile des Stadtverkehrs Pforzheim an den französischen Veolia-Konzern etwa habe keine Verschlechterung bewirkt. Das Ergebnis der Urabstimmung in Pforzheim und allen anderen Betrieben wird für Mittwoch erwartet.
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