Vom Kopf auf die Füße
IG Metall führt in Karlsruhe scharfe Debatte um die Vorstandsverkleinerung
Es war spannend bis zuletzt, und trotz diszipliniertem Redeverhalten der rund 470 Delegierten auf dem 22. Gewerkschaftstag der IG Metall konnte man die Spannung und das Brodeln fast Spüren. Nach stundenlanger Debatte stimmten nicht die erforderlichen zwei Drittel der Delegierten in Karlsruhe für die Verkleinerung des geschäftsführenden IG Metall-Bundesvorstandes. Damit endete auf dem Gewerkschaftstag eine seit Monaten andauernde, teils harte Debatte um die Fortführung des Strukturreform, die sich die größte deutsche Gewerkschaft unter dem Titel »Projekt 2009« verordnet hatte.
Obwohl in geheimer Abstimmung entschieden wurde, waren durch die Debatten im Vorfeld des Gewerkschaftstages die Fronten klar. Das zeigte sich auch deutlich an der Sitzverteilung in der Messehalle in Karlsruhe bzw. daran, aus welcher Ecke der Applaus bei welchem Redner kam. Die mächtigen Landesbezirke im Süden und Westen der Republik wollten die Verkleinerung, der Norden und der Osten waren dagegen. Diejenigen, die schließlich die geheime Abstimmung durchsetzten, waren die Bezirke aus Nord- und Ostdeutschland. Geheime Abstimmungen hatte es bei Gewerkschaftstagen der IG Metall noch nicht gegeben.
Für Kritik besonders vom christlichen Arbeitnehmerflügel hatte im Vorfeld gesorgt, dass mit Regina Görner das einzige CDU-Mitglied aus dem Vorstand ausscheiden sollte. Die Diskussion müsse »vom Kopf auf die Füße«, sagte Uwe Fritsch, VW-Betriebsratsvorsitzender in Braunschweig und niedersächsischer Delegierter. Es gehe nicht um Parteienproporz, sondern um »politische Themen«. Er argumentierte am Beispiel Ausbildung und Bildung, dass die Berufsschulen »nicht Nachhilfe für Haupt- und Realschule« werden dürften. Darum müsse die Bildung einen eigenen Bereich im geschäftsführenden Vorstand behalten. Das gleiche gelte für die Themen Frauen und Gleichstellung, blicke man auf die Frauenquote bei den Delegierten oder den Frauenanteil der IG Metall insgesamt. Eine Meinung, die von mehreren Delegierten geäußert wurde, war, dass die mit der Verkleinerung angedachte Verjüngung des Vorstandes nach zwei Jahren schon jetzt bei sieben Mitgliedern erfolgen sollte. Dem Vernehmen nach sollte der Erste Vorsitzende Berthold Huber nicht die vollen vier Jahre im Amt bleiben. Stattdessen sollte sein Vize Detlef Wetzel an die Spitze vorrücken und jemand Jüngeres in den Vorstand nachrücken.
»Der Vorstand hat das mit großer Mehrheit beschlossen. Wenn wir jetzt dagegen stimmen, schwächen wir den Vorstand, die geschäftsführenden Mitglieder und damit die ganze IG Metall«, hieß es von Seiten der Befürworter der Verkleinerung. Andere betonten die Wichtigkeit einer schlanken Führungsstruktur, die schnell und effektiv reagieren können müsse. Wieder andere führten an, dass es den Mitgliedern in den Betrieben oder den Verwaltungsstellen vor Ort ziemlich egal sein dürfte, wer und wie viele Menschen im geschäftsführenden Vorstand sind. Politik werde schließlich im Betrieb gemacht.
Zum Ergebnis der Abstimmung sagte ein Sprecher, es gebe »unterschiedliche Geschwindigkeiten« in der Bereitschaft, die Strukturveränderungen umzusetzen. Der Gewerkschaftstag soll bis zum kommenden Samstag andauern. Es stehen knapp 500 Anträge zu Themen von der Tarifpolitik über Krisenbewältigung bis zum NPD-Verbot an, über die die Delegierten abstimmen werden.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.