IG Metall will linken Reformismus
Vorsitzender Huber hält Grundsatzreferat / Vorstandswahlen abgeschlossen
Berthold Huber will den Kampf gegen die Arbeits- und Perspektivlosigkeit der Jugend ausweiten. In einer Grundsatzrede am Tag nach seiner Wiederwahl als Erster Vorsitzender der IG Metall sagte Huber vor den rund 500 Delegierten: »Was diese Gesellschaft der Jugend zumutet, verstößt gegen mein persönliches Gerechtigkeitsempfinden. Es verstößt gegen meine Vorstellung von einer lebenswerten Gesellschaft«. 50 Jahre sei die Bundesrepublik von dem Versprechen geprägt gewesen: »Du wirst es einmal besser haben als deine Eltern. Dieses Versprechen wird nicht mehr eingehalten«, sagte Huber und verwies darauf, dass 2010 knapp 38 Prozent der 15- bis 25-Jährigen in prekärer Beschäftigung steckten - der höchste Wert aller Altersgruppen. Die unbefristete Übernahme nach Ausbildungsende wird darum eine zentrale Forderung in der anstehenden Metall- und Elektrotarifrunde sein. Die Situation der Jugend zum Schwerpunkt der gewerkschaftlichen Arbeit zu machen, sei richtig gewesen, sagte Huber: »Jedes zweite neue Mitglied ist unter 27 Jahre.«
Der Verfall von beispielsweise geleisteten Überstunden war ein weiteres Thema der Rede. »Arbeitszeit zum Nulltarif - das darf es nicht geben«, sagte Huber. Geleistete Arbeit müsse erfasst und entweder mit Geld oder Freizeit vergolten werden. »Deshalb wollen wir bundesweit Tarifverträge zu Arbeitszeitkonten«, sagte Huber. Bislang gebe es derlei Regelungen nur in Baden-Württemberg, so Huber nach seiner Rede vor Journalisten. Einige Arbeitgeber verweigerten Arbeitszeitkonten, weil sie darauf spekulierten, dass die Arbeitszeit verfällt.
Huber forderte zudem einen »Green New Deal«, um einen sozialen und ökologischen Kurswechsel voranzutreiben. »Vor uns liegt eine Jahrhundertaufgabe. Wir brauchen nicht weniger als eine ökologisch industrielle Revolution. Und die Weichen werden jetzt gestellt. Ich fordere ein Investitionsprojekt in Europa, das den Herausforderungen des Klima- und Umweltschutzes gerecht wird.« Für einen Kurswechsel brauche es einen »linken Reformismus«, der auf die Emanzipation des Menschen ausgerichtet sei, nicht einen Reformismus, der die Entgrenzung der Märkte bedeute. Das sei das »Linke« am Reformismus. Mit politischen Parteien habe das nichts zu tun, sagte Huber nach seiner Rede.
Der zweite Kongresstag am Dienstag hatte mit der einstimmigen Wahl des 29-köpfigen ehrenamtlichen Vorstands geendet. Außerdem wurde der Kontrollausschuss gewählt. Dessen Mitglieder haben innerhalb der IG Metall die ausschließliche Aufgabe, darauf zu achten, dass der Vorstand den Boden der Satzung nicht verlässt und die Beschlüsse des Gewerkschaftstages umsetzt.
Mit Christiane Benner (nicht Brenner, wie gestern fälschlicherweise berichtet) und Jürgen Kerner ist am Abend auch die hauptamtliche Vorstandsspitze komplettiert worden. Benner, die 88,9 Prozent der Stimmen erhielt, war bislang in der Hauptverwaltung für Frauen- und Gleichstellungspolitk sowie Jugend- und Angestelltenarbeit und die IT-Branche zuständig. Kerner (93,2 Prozent) war zuvor Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Augsburg.
Welche Bereiche Kerner und Benner im Vorstand bearbeiten werden, ist noch nicht klar. Huber sagte nach seiner Rede vor Journalisten: »Darüber fange ich ab Montag an nachzudenken.« De facto habe der geschäftsführende Vorstand seit dem Inkrafttreten der Strukturreform schon seit Januar aus fünf Personen bestanden. »De jure waren Regina Görner und Wolfgang Rohde noch da.« Der Vorstand hatte am Dienstag nicht die nötige Zweidrittelmehrheit dafür erreicht, seine Spitze um zwei Sitze zu verkleinern.
Nach Hubers Rede und der Verabschiedung der ausscheidenden Vorstandsmitglieder begannen die Delegierten mit den Antragsberatungen. Der 22. Ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall soll noch bis Samstag dauern.
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