Die Erben der »Adlerkralle«

Attentatsvorwürfe heizen die Feindschaft zwischen den USA und Iran erneut an

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Den bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Iran droht nach den jüngsten Attentatsvorwürfen ein neuer Tiefpunkt.

Am 25. April 1980 sollte eine Spezialeinheit über 50 USA-Bürger in Teheran befreien. Sie waren Geiseln des Mullah-Regimes von Ajatollah Chomeini, der den Schah im Januar 1979 gestürzt hatte und am 4. November die Washingtoner Botschaft stürmen ließ, um eine Auslieferung des in die USA geflohenen Monarchen zu erzwingen. Doch die Operation »Eagle Claw« (Adlerkralle) war ein Desaster. Erst im Januar 1981 kamen die Geiseln frei. Die USA und Iran unterhalten seit damals keine diplomatischen Beziehungen mehr.

In den USA wird diese Geiselkrise als Beginn der andauernden Feindschaft mit den Teheraner Mullahs gesehen. Wobei man gern vergisst, dass erst ein CIA-Putsch gegen den vom Parlament gewählten Nationalliberalen Mohammed Mossadegh 1953 dem Schah die Macht sicherte. Nach Terroranschlägen in Libanon erklärte Präsident Ronald Reagan Irans Regime 1984 zum »Sponsor des internationalen Terrorismus«. Vier Jahre später schoss ein US-Kriegsschiff einen iranischen Airbus über dem Golf ab - alle 290 Passagiere starben.

Neben dem Terrornetzwerk Al Qaida ist Iran das wichtigste Feindbild der Supermacht, das Präsident Mahmud Ahmadinedschad mit paranoidem Antisemitismus noch düsterer zeichnet. Immer wieder werden Meldungen gestreut, wonach die iranischen Revolutionsgarden die libanesische Hisbollah, die radikal-islamische Hamas in Gaza oder die Aufständischen in Irak und in Afghanistan mit Waffen versorgen. Dazu kommen Vorwürfe, man kooperiere mit Al Qaida.

Vor allem aber ist es der vermeintliche Griff nach Atomwaffen, der Iran für die westliche Welt zum Paria macht. Während Teheran auf den zivilen Charakter seines Atomprogramms pocht, befürchten die USA und Israel die klandestine Entwicklung von Kernwaffen. Wobei es zur Ironie der Geschichte gehört, dass die USA 1967 mit einem Leichtwasser-Forschungsreaktor gleichsam den Grundstein legten und nicht davor zurückschreckten, dem Schah waffenfähiges Uran zu liefern.

Inzwischen überzieht Washington iranische Politiker, Militärs und Unternehmen mit Sanktionen. Der Kongress hat ein Gesetz verabschiedet, das Firmen Restriktionen androht, die in Irans Energiewirtschaft investieren. So hatten Senatoren Bundesaußenminister Guido Westerwelle aufgefordert, die Finanzierung des iranischen Atomprogramms durch die Europäisch-Iranische Handelsbank (EIHB) zu stoppen. Prompt setzte sich Deutschland dafür ein, das Finanzinstitut mit Sitz in Hamburg auf die Sanktionsliste der EU zu setzen.

Zugleich wurde in Washington über eine militärische Lösung nachgedacht. Vor allem in der Ära von George W. Bush trieb man die Planungen für eine Invasion voran. Geheimdokumente, die die Internet-Plattform Wikileaks öffentlich gemacht hat, zeigen, dass auch arabischen Herrscher nichts dagegen hätten. So soll der saudische König Abdullah die USA schon 2008 aufgefordert haben, »der Schlange den Kopf abzuschlagen«. Republikanische Abgeordnete, die der konservativen »Israel Lobby« nahe stehen, fordern auch jetzt wieder eine Konfrontationsstrategie. Senator Lindsey Graham machte klar, was das heißt: »Die Marine des Staates versenken, seine Luftwaffe zerstören und den Revolutionsgarden den entscheidenden Schlag versetzen. Mit anderen Worten: das Regime ausschalten.«

Die Obama-Regierung hat bisher diesem Druck offiziell nicht nachgegeben. Andererseits wollte man bei der Vorstellung der neuen Nuklearstrategie im Vorjahr selbst einen atomaren Erstschlag gegen Iran oder Nordkorea im Fall der Fälle nicht ausschließen. Die »New York Times« enthüllte kürzlich, das Pentagon habe längst Geheimoperationen in Vorderasien und am Horn von Afrika ausgeweitet, um für einen Iran-Krieg vorbereitet zu sein. Man sammle Informationen über das Atomprogramm und Dissidenten-Gruppen. Und Russlands NATO-Botschafter Dmitri Rogosin schließt nicht aus, dass die USA auch ihr Projekt zum Aufbau eines Raketenschildes in Europa als Vorwand für die Vorbereitung eines Angriffs auf Iran nutzen könnten. Schließlich sei es kein reines Defensivsystem.

»Die USA beabsichtigen, Iran für seine Handlungen zur Verantwortung zu ziehen«, sagte Justizminister Eric Holder jetzt nach den Attentatsvorwürfen. Konkrete Pläne nannte er noch nicht.

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