Rausch am Rhein
Mit Pfanne und Spaten gehen im südbadischen Weil Hobby-Goldsucher auf Wochenendtrip
Weil am Rhein. Es wird passieren, ganz sicher. Eines Tages wird Rainer Stärk sein Haus verlassen, um stundenlang im Schlamm zu wühlen - und wenn er abends ausgepumpt zurückkommt, wird er wissen: Ich bin ein reicher Mann. Früher oder später wird es geschehen, theoretisch ist es immer möglich. Theoretisch. Praktisch weiß der 44-Jährige natürlich, dass ein Lotto-Jackpot wahrscheinlicher ist, als mit dem reich zu werden, was er seit acht Jahren in seiner Freizeit macht: Goldsuchen am Rhein.
Rainer Stärk ist im Goldrausch, und damit ist er nicht allein: An vielen deutschen Flüssen kann man sie mittlerweile sehen, Menschen mit Goldpfanne, Spaten und manchmal mit Hut. Es sind so viele, dass Stärk bei sich zu Hause im südbadischen Weil am Rhein am Wochenende sogar Kurse geben kann im Goldwaschen. Bankmanager kommen genauso wie kleine Jungen. Um möglichen Reichtum geht es dabei meist nicht, sondern vor allem darum, abends dreckig nach Hause zu kommen und jeden Muskel des Körpers zu spüren.
Es ist ein goldener und warmer Tag im Frühherbst an einem Seitenarm des Rheins. Die Luft ist voller kleiner Wasserspritzer, die der Fluss in zahlreichen kleinen Stromschnellen verliert. »Wenn man am Rhein nach Gold sucht, findet man nur Flitter«, sagt Stärk. Kleine Schnipsel aus Gold sind das, kaum größer als Sandkörner. Nicht viel anders ist es an den anderen deutschen Flüssen, die Gold mit sich führen, seien es Elbe, Isar oder Eder: Es geht immer nur um geringe Mengen.
Die Hobby-Goldsucher interessieren sich vor allem für den deutschesten aller Flüsse. »Sagen Sie mal laut ?Wesergold? oder ?Saalegold?. Das klingt doch nach nichts. ?Rheingold?, das ist ein ganz andere Wort«, sagt Stärk. Der mächtige Goldschatz der Nibelungen wurde der Sage nach im Rhein versenkt. Tatsächlich lässt sich die Gewinnung von Gold aus dem Rhein bis auf die Kelten zurückführen. Der Höhepunkt lag im 19. Jahrhundert. In der Karlsruher Münze wurden von 1800 bis 1869 rund 306 Kilo Rheingold angenommen.
Wenn Rainer Stärk sich bückt, um zunächst mit seinem Spaten Steine aus dem Flussboden zu schaufeln, dann sieht das aus, als wolle er ein Loch in das Gewässer graben. Zusammen mit jeder Menge Flusswasser kommen die Steine in seine graue Goldpfanne, die er mehrere Minuten lang schwenkt - gerade so heftig, dass die größten Brocken herausfallen, die kleineren aber im Inneren bleiben. »Gold ist schwerer als Sand und sinkt zum Grund.« Wenn es gut läuft, verbleibt nach etwa jedem zweiten Waschgang ein wenig Gold in der Pfanne.
Am Ende eines erfolgreichen Tages kann auf diese Weise etwa ein halbes Gramm Gold zusammenkommen. Das sind auch in Zeiten astronomischer Goldpreise kaum 20 Euro - vorausgesetzt, man verkauft seinen Fund. Rainer Stärk bewahrt sein Gold in Glasampullen auf, er sammelt kleine goldene Schnipsel in Wasser. »Ein echter Briefmarkensammler macht das ja auch nicht, um später zu verkaufen.«
»Die Leute, die zu mir kommen, sind ein Querschnitt der Gesellschaft«, sagt Stärk. Goldsuchen, das ist in Deutschland nichts, womit man ernsthaft Geld verdienen könnte, auch in Zeiten der Euro-Krise nicht. Das Gegenteil ist richtig: Man muss es sich leisten können. Ökonomisch betrachtet ist es vergeudete Zeit.
Es ist noch nicht allzu lange her, da kam Rainer Stärk mit einem Angler ins Gespräch, der ihn wegen seines Hobbys belächelte. »Und was ist mit Dir?« antwortete Stärk. »Wegen der zwei Fische hockst Du hier am Fluss? Die kannst Du genauso gut im Aldi holen.« Und doch ist es nicht dasselbe. Beim Goldsuchen ist immer Nervenkitzel dabei, ein ganz klein wenig nur, aber konstant: »Es kann ja immer der große Fund kommen«, sagt Stärk. Bald schon könnte es soweit sein.
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