Vancouver vor Besetzung
»Occupy«-Protestwelle erreicht Kanada
»Während wir erleben, wie die friedlichen Proteste weltweit mit Menschenmassen explodieren, erkennen wir, dass es Zeit für uns ist, uns mit ihnen zu erheben«, heißt es auf der Webseite von »Occupy Vancouver«. Dort wird seit mehr als einer Woche für das Protestcamp mobilisiert, das an diesem Samstag in der Stadt beginnt.
Schon jetzt ist abzusehen, dass viele Menschen dem Aufruf folgen werden. Bei dem Internetportal Facebook hatten zu Wochenbeginn mehr als 3100 Nutzer ihre Teilnahme angekündigt. Zu einer ersten Vollversammlung zur Vorbereitung der Proteste waren vor einer Woche bereits mehr als 400 Menschen erschienen.
Wie in New York wird auch in Vancouver zunächst offen gelassen, was genau die Forderungen des Occupy-Protests sind. »Wir, die 99 Prozent, kommen mit unseren unterschiedlichen Erfahrungen zusammen, um die derzeitige Lage - eine zunehmend ungleiche und unfaire Verteilung von Reichtum und Macht in unserer Stadt und weltweit - zu verändern«, heißt es in einem vorläufigen, auf der Versammlung im Konsens beschlossenen Papier. Wie bei anderen Ablegern der Occupy-Bewegung werden darin Korruption, die Gier der Konzerne und die Verstrickungen von Politik und Wirtschaft angeprangert. »Wir stellen uns gegen systematische Ungleichheit, gegen Militarisierung, Umweltzerstörung und die Aufweichung von Bürger- und Menschenrechten.«
Erwähnt wird in den vancouverianischen Prinzipien auch, dass man anerkennt, sich auf bereits besetztem Land zu befinden. Die relativ junge Stadt ist auf dem Gebiet der Küsten-Salish erbaut worden, zu denen eine Reihe verschiedener Stämme der »First Nations«, der kanadischen Ureinwohner, gehört. Derzeit kursiert unter Sympathisanten der Bewegung daher der Vorschlag, die Aktion von Occupy Vancouver in »Decolonize Vancouver« (»Vancouver entkolonisieren«) umzubenennen.
Was genau am Samstag und darüber hinaus in der Stadt passiert, wird sich erst am Aktionstag zeigen. Die Teilnehmer sollen selbst entscheiden, wie sie die Proteste gestalten wollen. Fest stehen bisher ein zentraler Treffpunkt und die Zeit für eine zweite Vollversammlung, bei der die Okkupierer ihre politischen Forderungen weiter diskutieren wollen.
Vom Versammlungsort aus, der zentral gelegenen städtischen Kunstgalerie, in deren Umgebung sich unter anderem viele Banken befinden, sollen spontane Demonstrationen und Aktionen geplant werden können. »Wir wollen einen Ort schaffen, der einladend ist und nicht ausschließt, der Fragen von Unterdrückung und Diskriminierung thematisiert, und an dem eine Atmosphäre geschaffen wird, in der alle der 99 Prozent gehört werden und sich in bedeutender Weise einbringen können«, formulieren die Aktivisten ihr Anliegen.
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