Thailands Wirtschaft versinkt im Wasser

Schaden noch nicht bezifferbar

  • Michael Lenz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
In Thailand steht die Provinz Ayutthaya, eines der wichtigsten industriellen Zentren des Landes, seit fast zwei Wochen völlig unter Wasser.

Ein Politiker, ein männlicher dazu, der in Tränen ausbricht, ist eine Seltenheit. Thailands stellvertretender Premierminister Kittirat Na-Ranong aber ließ seinen Tränen freien Lauf, als am Donnerstag ein Damm brach und das Hochwasser des mächtigen Flusses Chao Phraya den High-Tech-Industriepark in Ayutthaya mit 143 Fabriken, die 51 000 Menschen Arbeit bieten, überflutete.

Heftige Regenfälle haben die Flüsse anschwellen lassen und Thailand die schlimmste Hochwasserkatastrophe seit einem halben Jahrhundert beschert. Hunderte Fabriken haben die Produktion bereits einstellen müssen. Entweder weil sie selbst überflutet sind, oder weil Zulieferfirmen wegen des Hochwassers keine Bauteile mehr liefern können.

Zum Wochenende wurde die Flutwelle in Bangkok erwartet. Zum Schutz der Millionen Menschen in der Innenstadt der 12-Millionen-Metropole sollte möglichst viel Wasser des Chao Phraya über den nördlichen und östlichen Rand Bangkoks ins Meer geleitet werden. Dort aber befinden sich wichtige Industrieparks. Mindestens acht weiteren von ihnen droht die Überschwemmung. Die Jobs von mehr als einer halben Millionen Arbeitern sind zumindest zeitweise in Gefahr.

Kein Wirtschaftszweig bleibt von dem Hochwasser verschont. Industrieanlagen mit teuren Maschinen stehen ebenso unter Wasser wie Handwerksbetriebe, Reisfelder, Gemüseplantagen und Bauernhöfe. Ernteausfälle haben schon jetzt zu Preiserhöhungen bei Gemüse und Reis in Bangkok geführt. Rund um die Uhr sind Einheiten der Armee als Fluthelfer im Einsatz. Deiche werden erhöht, neue hektisch gebaut, verschlammte Kanäle ausgebaggert.

Zwischen all dem Chaos erschweren politische Machtspiele das Krisenmanagement. Die offiziellen Warnmeldungen rangieren zunehmend zwischen widersprüchlich und falsch. Das kann schlicht an Inkompetenz liegen oder auch an politischen Rangeleien. Bangkok wird von den Demokraten regiert, während diese auf nationaler Ebene gerade die Macht an Yinluck Shinawatra, die Schwester des gestürzten Premierministers Thaksin Shinwatra, abgeben mussten. Das macht eine Koordinierung der Hilfe schwierig.

Es ist zu früh, den genauen Schaden der Flutkatastrophe für Thailands Wirtschaft zu beziffern. Erste Schätzungen gehen aber davon aus, dass die Flut bis zu einem Prozent des Bruttosozialprodukts kosten könnte. Und das sind noch optimistische Schätzungen unter der Annahme, dass Bangkok glimpflich davon kommen könnte.

Nach dem Ende der schweren Regenfälle - wann immer das sein wird - wird es bis zu einem Monat dauern, bis das Wasser gänzlich abgeflossen sein wird. Erst dann kann der Milliarden teure Wiederaufbau der Katastrophenregionen in Angriff genommen werden.

Der Streit um dessen Finanzierung hat aber schon jetzt eingesetzt. Die Mittel zur Anhebung der Mindestlöhne und zur Subventionierung der Reispreise für Reisbauern müssten umgehend in einen Wiederaufbaufonds umgeschichtet werden, fordern die Kritiker der Sozialpolitik von Premierministerin Yinluck.

Indes sind weitere wolkenbruchartige Regenfälle angekündigt. Die Staudämme im Norden und Westen sind bereits jetzt bis zum Bersten gefüllt und lassen Millionen von Kubikmetern Wasser ab. Die Gezeiten im Golf von Siam sind auf ihrem Höchststand und verlangsamen so den Abfluss des Hochwassers ins Meer. Ein Ende der Flutkatastrophe ist nicht abzusehen.

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