Die Anstreicher
Kommentar von Karlen Vesper
Können Bilder unschuldig sein? Skulpturen harmlos? Ist Kunst zu nennen, was in den Ateliers einer Diktatur entsteht, die an Brutalität, Barbarei, Unmenschlichkeit ihresgleichen nicht kennt in der Menschheitsgeschichte - der es zweifellos an Orgien des Terrors nicht mangelte? Und an denen allzeit Intellektuelle und Kunstschaffende nicht eben schuldlos waren. Schuldig geworden durch Hörigkeit wie vorauseilenden Gehorsam, Unterwerfung wie Identifizierung mit imperialen Ideologien. Die sich prostituierten, mit eroberungssüchtiger Macht kopulierten, Anstand und Sittlichkeit vermissen ließen.
Die von der NS-Reichskulturkammer als »arisch« geadelten Künstler wussten um das Schicksal nicht-arischer Kollegen, die außer Landes gejagt oder ermordet wurden, deren Werke als »entartet« und »kulturbolschewistisch« aus den Museen verschwanden. Jene Wissenden waren - ob sie malten oder meißelten, »Herrenmenschen« porträtierten oder nur Stillleben schufen - mitschuldig geworden. Als Anstreicher im Dienst des »Anstreichers« aus Braunau. Sie weißten die Fassade seines blutbefleckten Regimes. Sie lebten satt und zufrieden, während Millionen Menschen in Deutschland und Europa stöhnten, schmachteten, starben.
Wer nun einwendet: »Ja, aber auch unter Stalin...« - der vergegenwärtige sich: 60 Millionen Weltkriegstote, sechs Millionen ermordete Juden. Das ist nicht die Opferstatistik des Kremlherrn, sondern des Diktators in Berlin und seiner zahlreichen Komplizen. Auch in der Kunst. Ab Donnerstag werden NS-Sammlungen im Internet frei zu sehen sein. Wer will sie sehen? Und warum?
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.