Großer Schulterschluss im Bundestag

Die Opposition sieht sich schlecht von der Regierung informiert - trotzdem stützen Grüne und SPD Merkels Krisenpolitik

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
SPD und Grüne sehen sich durch das Entgegenkommen von Schwarz-Gelb in der Krisenpolitik bestätigt. Einige Differenzen gibt es trotzdem noch.

Während draußen vor der Tür Globalisierungskritiker von den Netzwerken Attac und Campact im Berliner Regierungsviertel gegen die »Macht der Großbanken« demonstrierten, wurde im Bundestag heftig über den Euro-Rettungsschirm EFSF gestritten.

Linksfraktionschef Gregor Gysi hatte sich dermaßen in Rage geredet, dass er trotz Unterbrechung durch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wegen überschrittener Redezeit weiter mit geballter Faust dagegen wetterte, dass Arbeiter, Erwerbslose und Beamte die Krisenkosten zahlen müssten, anstatt die Profiteure mit einer Vermögenssteuer zu belasten. In Griechenland sei ein Fall bekannt, dass eine Lehrerin einen Monatslohn von 575 Euro erhielt.

Zuvor hatte der LINKE-Abgeordnete der schwarz-gelben Bundesregierung vorgeworfen, die Bevölkerung nicht über die Folgen der Euro-Rettung aufzuklären. »Wenn es bisher ein vages Haftungsrisiko war, machen Sie heute daraus eine zwingende, direkte Zahlung«, kritisierte Gysi. Denn der Schuldenschnitt für Griechenland werde kommen und die Steuerzahler müssten die ersten 20 Prozent davon direkt bezahlen. Vor dem Hintergrund des gemeinsamen Weges, den in den letzten Wochen alle Parteien des Bundestages bis auf die LINKE in der Eurokrise gehen, sagte Gysi, dass Vertreter von Grünen und SPD in dieser Frage nicht die Opposition repräsentierten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in ihrer vorangehenden Regierungserklärung vermieden, das Wort »Hebel« - der noch nicht eindeutig festgelegt wurde, aber mit großer Sicherheit die Wirkung des EFSF vervielfachen soll und das Ausfallrisiko vergrößern wird - in den Mund zu nehmen. Vielmehr konzentrierte sie sich darauf, angebliche Fortschritte in den europäischen Krisenländern zu beschwören. Irland sei auf einem guten Weg. In Portugal und Griechenland seien zudem Anstrengungen zu erkennen.

Angesichts von Entlassungen und massiven Lohnkürzungen wirkte Merkels Anmerkung, den Menschen in Griechenland werde viel abverlangt, sie verdienten Respekt, geradezu zynisch. Für die Umsetzung der neoliberalen Reformen in dem südosteuropäischen Land drohte die Bundeskanzlerin mit einer »permanenten Überwachung«. Um härter gegen Staaten vorgehen zu können, die häufig gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen, will sie die europäischen Verträge ändern.

Zustimmung erhielt Merkel von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, der sich darüber freute, dass in dem gemeinsamen Entschließungsantrag von Union, FDP, SPD und Grünen immerhin keine gemeinsamen europäischen Staatsanleihen, sogenannte Eurobonds, vorkommen.

Abgeordnete von SPD und Grünen bekräftigten bei der Debatte, sich angesichts der Kehrtwende von Schwarz-Gelb in ihrem Kurs bestätigt zu sehen. »Aber ihr Umgang mit dem Parlament war unverschämt«, empörte sich SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Der Bundestag sei oft von der Regierung schlecht informiert gewesen. Rainer Brüderle habe noch vor wenigen Wochen einen möglichen Hebel als »Massenvernichtungswaffe« bezeichnet und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) »Nebelkerzen geworfen«. »Aber in dieser Abstimmung geht es nicht um die gescheiterte Bundesregierung, sondern um die Zukunft Europas, deswegen werden wir zustimmen«, erklärte Steinmeier. Zudem forderte er eine Wachstumsstrategie für die südeuropäischen Länder, um dort die Konjunktur wieder zu beleben.

Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin machte trotz der vielen Gemeinsamkeiten, die seine Partei inzwischen mit Union und FDP in der Euro-Krisenpolitik aufweist, immerhin noch einige Unterschiede aus. In Richtung Bundesregierung sagte Trittin: »Sie haben nicht den Mut, Vermögende bei der Beteiligung der Krisenkosten heranzuziehen. Aber ich bin sicher, am Ende werden sie uns auch in dieser Frage folgen.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.