Keine Lösungen in Damaskus

Assad warnt im Falle einer Intervention vor »Erdbeben in der gesamten Region«

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat ein Eingreifen der Militärallianz in Syrien kategorisch ausgeschlossen. »Wir haben überhaupt nicht die Absicht, in Syrien einzuschreiten«, sagte Rasmussen am Montag auf dem Flug zu einem unangekündigten Besuch in der libyschen Hauptstadt Tripolis. In Syrien traut man solchen Worten offenbar nicht.

In einem Interview mit dem russischen Fernsehsender Rossija TV 1) hat Syriens Präsident Baschar al-Assad klar gemacht, dass eine ausländische Militäroperation in Syrien verheerende Auswirkungen haben würde. Syrien habe eine einzigartige geopolitische Lage und Geschichte und sei Treffpunkt fast aller kulturellen, religiösen und ethnischen Bestandteile des Mittleren Ostens. Hier träfen zwei »tektonische Platten« aufeinander und jeder Versuch, diese (militärisch) zu destabilisieren, werde ein massives Erdbeben auslösen, das in der gesamten Region und weltweit zu spüren sein werde.

Jede (militärische) Einmischung werde kostspieliger sein, als es sich die Welt erlauben könne. Assad machte klar, dass Syrien auf die Unterstützung Russlands zähle, das sich über »die Gefahren einer ausländischen Einmischung in Syrien bewusst« sei und entsprechend im UN-Sicherheitsrat sein Veto eingelegt habe. Assad kritisierte die einseitige Berichterstattung westlicher Medien, wies aber darauf hin, dass seit einiger Zeit viele Reporter nach Syrien einreisen könnten, um sich selber ein Bild zu machen. Westliche Sanktionen und die Reisewarnungen kämen einer Blockade Syriens gleich, die vor allem die Bevölkerung und weniger den Staat treffen würden. Syrien könne sein eigenes Volk ernähren, Nachbarstaaten lieferten, was in Syrien nicht produziert werde.

Am Tag nach dem Interview, dass in westlichen Medien weniger Schlagzeilen macht als das Gespräch mit einem Reporter des britischen »Sunday Telegraph«, raunt ein junger Mann, der im Vorübergehen hört, dass neben ihm eine ausländische Journalistin geht: »Glauben Sie kein Wort von dem, was der Präsident sagt.« Alle jungen Leute würden sich sofort der »Freien Syrien-Armee« anschließen, die jetzt in Homs mutig den syrischen Streitkräften die Stirn bieten würde. Doch man wisse nicht, ob man vom Westen unterstützt werde, darum zögerten viele. Die Gespräche mit der Arabischen Liga seien eine reine Showveranstaltung, meint der Mann weiter. »Egal, was die syrische Regierung zusagen wird, es ist Augenwischerei.«

In den meisten Gesprächen wird eine andere Stimmung deutlich. Die Menschen seien »traurig«, sagt ein Taxifahrer, der seinen Job in einem Hotel verloren hat. Traurig über die Gewalt im Land, die vielen Toten, über die Feindseligkeit und die Isolation durch das Ausland.

Ein Geschäftsmann, dessen Laden auf der Geraden Straße seit Monaten keine zahlungskräftige Kundschaft mehr gesehen hat, räumt ein, dass es in Syrien »viele Probleme« gebe, die allerdings nicht über Nacht gelöst werden könnten. Er halte viel vom Präsidenten, der »Syriens Probleme aus 50 Jahren geschultert« habe, als er Präsident geworden sei. Die Regierung seines Vaters sei bedeutend restriktiver gewesen. Der junge Assad habe mehr als 4000 Reformen und Änderungen in seiner Amtszeit erlassen, doch auch die Menschen, jeder Einzelne müssen sich ändern, wenn Reformen Erfolg haben sollten.

»Wir brauchen Zeit, um uns zu entwickeln, wir brauchen eure Hilfe, aber die haben eure Politiker im Frühjahr über Nacht abgezogen. Warum?« Wie viele Syrer zieht auch dieser Geschäftsmann, der lieber anonym bleiben möchte, Parallelen zu den Ereignissen in Irak und aktuell in Libyen. »35 Prozent der Öleinnahmen aus Libyen hat Frankreich sich gesichert«, meint er, doch Syrien habe gar kein Öl. Europa und die USA sollten sagen, was sie von Syrien wollten, »wir können über alles reden.« Nur eines käme nicht in Frage: »Dass ihr Syrien zerstört und zerteilt wie Irak.«

Die Arabische Liga hatte in ihrem an die syrische Führung übergebenen Plan am Wochenende ein »sofortiges« Ende des gewaltsamen Vorgehens gegen Regierungskritiker verlangt. Von Damaskus zur Unterdrückung der Proteste entsandte Panzer und Militärfahrzeuge müssten zurückgezogen und ein Dialog mit der Opposition aufgenommen werden, sagte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil el-Arabi, am Montag. Er schlug vor, den Dialog in Kairo zu führen. Eine Ministerdelegation der Arabischen Liga wartet nach eigener Aussage weiter auf eine Antwort von Assad auf ihre diesbezüglichen Vorschläge.

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