Neue Milliarden für Schäuble
Steuerschätzung facht Debatte um Steuersenkungen an
Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden fallen in den kommenden vier Jahren voraussichtlich um ca. 48 Milliarden Euro höher aus als noch bei der jüngsten Schätzung vom Mai prognostiziert. So das Resultat der gestern veröffentlichten Steuerschätzung. Das größte Plus gibt es demnach mit 17,5 Milliarden Euro bereits im laufenden Jahr, während in den folgenden Jahren die Mehreinnahmen wahrscheinlich deutlich geringer ausfallen werden. Für 2012 wird noch mit Mehreinnahmen von insgesamt 9,4 Milliarden Euro gerechnet. 2013 werden es vermutlich nur noch lediglich 6,2 Milliarden Euro sein.
Das tatsächliche Steuerplus im Vergleich zur Maischätzung beträgt allerdings nur 39,5 Milliarden Euro. Die Differenz ergibt sich aus dem Saldo von Mehr- und Mindereinnahmen, die Resultat von Steuerrechtsänderungen im Gesamtvolumen von 8,6 Milliarden Euro sind. Ursache sind vor allem Einnahmeausfälle durch den im Sommer beschlossenen Atomausstieg und das Steuervereinfachungsgesetz. In der Haushaltsplanung des Bundes sind sie indes bereits weitgehend berücksichtigt worden.
Für den Bundeshaushalt kann der Finanzminister im laufenden Jahr mit zusätzlichen Einnahmen von 9,3 Milliarden Euro rechnen - 2012 sollen es 2,7 Milliarden Euro und 2013 1,8 Milliarden Euro sein. Ein Plus gibt es auch bei den Ländern und in geringerem Maße 2011 und 2012 auch für die Städte und Gemeinden. Letztere müssen jedoch bereits von 2013 bis 2015 mit leichten Mindereinnahmen rechnen. Ursache für das derzeitige Wachstum ist vor allem das Wirtschaftswachstum der letzten Monate. Das schlägt vor hauptsächlich im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer zu Buche.
Trotz der positiven Prognose für die kommunalen Haushalte gibt der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) keine Entwarnung. »Die Kommunen brauchen die Mehreinnahmen dringend, um ihre Haushalte zu konsolidieren«, sagte der Hauptgeschäftsführer des DStGB, Gerd Landsberg, gestern in Berlin. »Die Forderung nach Steuersenkungen sind das falsche Signal.«
Das sieht auch der Bundesfinanzminister so. Vor dem Hintergrund der vor allem aus Kreisen der FDP immer wieder neu entfachten Diskussionen um Spielräume für Steuersenkungen dämpfte Wolfgang Schäuble (CDU) Hoffnungen auf zusätzliche Entlastungen. »Der Spielraum ist eher gering«, sagte er am Freitag am Rande des G20-Gipfels in Cannes. Die für den Bund im kommenden Jahr erhofften zusätzlichen Einnahmen gegenüber der jüngsten Schätzung vom Mai seien bereits zu zwei Milliarden Euro verplant und in den Haushalt eingestellt.
Unterdessen halten die koalitionsinternen Debatten um die konkreten Möglichkeiten von Steuersenkungen etwa bei der sogenannten Kalten Progression oder beim Solidaritätszuschlag weiter an. Während Schäuble für seinen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgestimmten Vorschlag wirbt, die kalte Progression abzumildern, favorisieren FDP und CSU Entlastungen beim Solidarbeitrag.
Die Zeit, ihre Positionen abzugleichen, drängt. Schon am kommenden Sonntag will die Berliner Koalition mit einem abgestimmten Ergebnis zu steuerlichen Entlastungen an die Öffentlichkeit treten. Weil für die Reform der Kalten Progression im Bundesrat kaum eine Mehrheit zu finden sein wird und der Abbau des Solidaritätszuschlags beim Bundesfinanzminister und beim Unionsfraktionschef Volker Kauder keine Zustimmung findet, sucht die Koalition offenbar intensiv nach einem Ausweg. In Unionskreisen wird jetzt über eine Absenkung der Stromsteuer nachgedacht. Kauder suche nach Alternativen, heißt es bei der CDU.
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