Eine Klinik für die Illegalen

Rotes Kreuz und Ärztebund stützen Praxis für papierlose Ausländer in Kopenhagen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
In der dänischen Hauptstadt haben engagierte Ärzte eine Anlaufstelle für die medizinische Versorgung von illegalen Migranten aufgebaut.

Der Kopenhagener Stadtteil Vesterbro, unmittelbar am Hauptbahnhof gelegen, hat in den gut 150 Jahren seiner Existenz nie den besten Ruf gehabt. Früher ein reines Arbeiterviertel mit allen sozialen Problemen, beherbergte es immer auch entwurzelte Existenzen, Kriminelle und Prostituierte. In den letzten Jahren hat die Stadt viel Mühe und Geld aufgewendet, um das Viertel aufzuwerten. Aber nur wenige Schritte entfernt von den neuen, hippen Straßencafés und Boutiquen existiert das alte Vesterbro noch immer. In dieser Umgebung, in der sich »Ur-Dänen« und Menschen mit Wurzeln in zahlreichen anderen Ländern der Erde mischen, fallen Ausländer ohne offiziellen Aufenthaltsstatus nicht auf. Die dänische Polizei schätzt ihre Zahl im ganzen Land auf mehrere Tausend. Einige sind obdachlos, andere können sich auf ein Netzwerk stützen, dass ihnen ein Dach über dem Kopf, Essen und manchmal auch Arbeit verschaffen kann. Doch die wenigsten haben Zugang zu medizinischer Versorgung.

Ausweisungsbedrohte Asylbewerber, Menschen aus gescheiterten Familienzusammenführungen oder Migranten ohne Papiere können, wenn die Abschiebung verfügt ist, nicht einfach zum Arzt gehen. Anspruch auf medizinische Behandlung haben sie nur, wenn es um Akuthilfe geht. Doch dann laufen sie Gefahr, wieder in Kontakt mit dem Staat zu kommen, der sie loswerden will. Die humanitären Probleme sind vorhersehbar. Um ihnen abzuhelfen, ergriffen das Rote Kreuz und der Dänische Ärzteverband die Initiative, eine Klinik für die Illegalen in Vesterbro einzurichten. Dass der Dänische Ärzteverband sich mit einer Startfinanzierung engagierte, ist ungewöhnlich, erklärt sich aber aus dem Eid des Hippokrates, den der Verband und seine Mitglieder offensichtlich ernst nehmen.

Die Klinikadresse ist eigentlich geheim, doch in den Kreisen der Untergetauchten bekannt. Auch die Polizei weiß, wo die engagierten Ärzte zu finden sind - sie ist hier mehr präsent als anderswo in der dänischen Hauptstadt.

Seit August leitet Vibeke Lenskjold die Klinik, die von außen unscheinbar in einem Kellerlokal untergebracht ist. Die Praxis selbst ist überraschend groß. Sie ist mit zwei Behandlungsräumen, Wartezimmer, Lager für Handmedizin und Arbeitszimmer für die Freiwilligen ausgestattet. »Für die Finanzierung müssen wir selbst sorgen durch Geldspenden und gespendetes medizinisches Gerät«, erklärt Lenskjold in einer Gesprächsrunde, zu der sie die Hausbewohner eingeladen hat. Ihre Akzeptanz ist wichtig, denn die Illegalen müssen durch ihr Haus und ihren Hof gehen. »Wir mussten viele Ängste zerstreuen.« Die meisten Bewohner sind nun erleichtert, dass trotz der rechtlichen Grauzone alles in geordneten Bahnen verläuft. Einige bieten sogar ihre Hilfe an. Nach Angabe von Lenskjold haben sich 13 Ärzte, 20 Krankenschwestern, fünf Hebammen und 15 Dolmetscher bereit erklärt, die Konsultationen zu übernehmen. Sie können Akuthilfe und Schwangerschaftsuntersuchungen anbieten sowie Wege finden, Behandlungen durchzuführen, von denen die Papierlosen sonst ausgeschlossen wären. Besonders wichtig ist auch, dass die Ärzte von hier einen Spezialisten oder ein Krankenhaus kontaktieren. »Das hat viel mehr Gewicht als der Anruf eines Patienten. Eine unserer wichtigen Aufgaben ist es, ihnen zu erklären, welche Rechte sie haben, auch wenn ihnen offizielle Dokumente fehlen«, sagt Lenskjold. »Wer zu uns kommt, ist am Ende und braucht wirklich Hilfe. Und die bekommen sie.«

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