Eine Brücke unter der Ostsee

Neues Kapitel bei der Gasversorgung der EU, aber keine dauerhafte Lösung der Energieprobleme

Energieversorgung war bisher eine wirtschaftliche und außenpolitische Gemengelage, bei dem der Umweltschutz zu kurz kam.

Fragt man Umweltschützer danach, welcher fossile Energieträger die Brücke ins Zeitalter der Erneuerbaren bilden könnte, dann ist die Antwort einhellig: Erdgas ist am klimaverträglichsten. Moderne Gaskraftwerke können flexibel hoch- und heruntergefahren werden, so dass sie die starken Schwankungen bei Windkraft und Solarstrom gut ausgleichen können. Und für die Wärmeversorgung der Privathaushalte sind Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen auf Gasbasis, die gleichzeitig Strom produzieren, erste Wahl.

Allerdings muss Erdgas vorrätig sein. Nur etwa 14 Prozent des Verbrauchs im Jahr 2010 wurden in Deutschland gefördert. Und das in weitgehend erschöpften Lagerstätten im Norden, die Jahr für Jahr weniger hergeben. Gas muss also vor allem importiert werden. Mehr als die Hälfte kommt aus der Nordsee, vor allem aus den Niederlanden und Norwegen - auch hier gehen die Vorräte langsam zur Neige. Größter Einzellieferant ist längst Russland, 2010 mit einem Anteil von 32 Prozent. Mit der Ostsee-Pipeline wird dieser Trend verstärkt. Kritiker warnen vor einer Monopolstellung und der damit verbundenen Gefahr von Preissteigerungen. Allerdings ist die Abhängigkeit durchaus wechselseitig: Russland ist der größte Erdgaslieferant der EU - gleichzeitig ist die EU wichtigster Kunde.

Mit der Ostsee-Pipeline nimmt die Wahrscheinlichkeit von Lieferunterbrechungen ab. Der Hauptgrund dafür waren bisher Streitigkeiten mit den Transitländern. Erstmals kommt nun Erdgas aus Russland direkt ohne die Querung der Ukraine, Polens und von Belarus in die Bundesrepublik. Gleichzeitig wird diese zunehmend selbst zum Transitland. Die maximale Kapazität von Nord Stream übersteigt die Menge der gesamten bisherigen Gasimporte aus Russland. Und so verbinden zwei große Anbindungsleitungen (OPAL nach Süden sowie NEL nach Südwesten) die Ostsee-Pipeline mit Tschechien bzw. mit den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Großbritannien.

Dies zeigt, dass die Energiepolitik, auch wenn jedes EU-Land weiter eigene Zwecke verfolgt, allmählich europäischer wird. Gegenüber Lieferländern tritt man öfter gemeinsam auf und man bastelt an dem Milliardenprojekt Nabucco. Ziel ist es, unter Umgehung Russlands Erdgas vom Kaspischen Meer in die EU zu transportieren. Freilich wurde der Termin für den Baubeginn mehrfach verschoben (aktuell auf 2013) und die Kosten gehen in die Höhe. Auch wenn mit Joschka Fischer ein früherer Außenminister als Lobbyist gewonnen wurde, ist völlig unklar, woher das Gas kommen soll. Im Gespräch sind bisher nur Aserbaidschan und Turkmenistan - zwei despotisch regierte Länder, die bereits Lieferverträge mit Russland und China abgeschlossen haben. Und mit dem konkurrierenden Pipeline-Projekt South Stream möchte Russland Nabucco endgültig den Garaus machen.

Egal woher das Erdgas kommt - wie im Strombereich beherrschen hierzulande einige wenige Konzerne samt Tochtergesellschaften den Markt vom Pipeline-Betrieb über den Großhandel bis hin zur Versorgung des Endverbrauchers. Im Ergebnis zahlt dieser hohe Preise. Erst im August und September haben wieder 90 Versorger Tariferhöhungen vollzogen - obwohl der Weltmarktpreis gesunken ist. Begründet wird dies oft mit lange laufenden Lieferverträgen und der Bindung an den Ölpreis. Die Intransparenz beschäftigt regelmäßig die Gerichte.

Auch an der Endlichkeit der Ressource Erdgas wird sich mit der Ostsee-Pipeline nichts ändern. Bleibt die Förderung weltweit gleich, würden die bekannten Reserven etwa 60 Jahre reichen. Eine längere Zukunft verspricht hingegen die umstrittene Förderung von Schiefergas, die allerdings erheblich kostspieliger und umweltzerstörender ist.

Klar ist, dass die Brücke Erdgas nur dann trägt, wenn gleichzeitig die Nachfrage massiv reduziert wird - etwa durch verbrauchsarme, wärmegedämmte Niedrigenergiehäuser. Bei der Eröffnung der Ostsee-Pipeline heute in Lubmin werden Umweltverbände daher nicht mitfeiern.

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