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Forderungen der Vermieter prüfen lassen

DMB: Mieterhöhungswelle in Berlin

  • Lesedauer: 4 Min.
Viele Mieterhöhungen in Berlin sind nach Ansicht des Berliner Mietervereins zwar meist formell korrekt, aber sie fordern eine Miete, die über der wirklichen ortsüblichen Miete liegt. Die Vermieter verlangen flächendeckend Mieterhöhungen, ohne die konkrete Wohnung mit Hilfe der Spanneneinordnung zum Mietspiegel individuell bewertet zu haben. Hier gegen können Mieter sich wehren. Dazu der Berliner Mieterverein:

Sie sollten ihre Wohnung innerhalb des Mietspiegels selbst eingruppieren und die Spannenberechnung vornehmen. Dafür haben Sie bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang der Mieterhöhungsforderung Zeit (§ 558b BGB). Auf keinen Fall ohne Prüfung der Mieterhöhungsforderung zustimmen. Denn an eine Zustimmung sind Mieter selbst dann noch gebunden, wenn sie gar nicht zustimmungspflichtig gewesen wären.

Einzuhaltende Bedingungen

Nach der gesetzlichen Regelung der §§ 558 ff. BGB kann der Vermieter die Zustimmung des Mieters zur Mieterhöhung nur dann verlangen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Einjahressperrfrist und die Kappungsgrenze eingehalten, das heißt, die Grundmiete darf in drei Jahren nicht um mehr als 20 Prozent steigen. Die Erhöhung muss begründet werden, und die ortsübliche Vergleichsmiete darf nicht überschritten sein. Die Mieterhöhung nach §§ 558 - 558 e BGB erfordert eine ordentliche Begründung durch Bezugnahme auf den Mietspiegel und andere gesetzlich zugelassene Möglichkeiten wie Vergleichswohnungen, Mietdatenbank oder Gutachten.

Wer Mieterhöhungsforderungen, die über die Kappungsgrenze oder über die ortsübliche Vergleichsmiete hinausgehen, mit seiner Unterschrift zustimmt, macht sie uneingeschränkt wirksam! Der wichtigste Rat in diesem Zusammenhang lautet daher: Erst genau prüfen oder durch Experten prüfen lassen (Mieterverein oder im Mietrecht versierte Anwälte), bevor zugestimmt wird.

In den Beratungsstellen des Berliner Mietervereins wurden seit Juni 2011 fast 5000 Mieterhöhungen überprüft. Die Beratungsnachfrage ist um mehr als das Dreifache gestiegen. Der Mieterverein schließt daraus, dass binnen zwei Monaten seit Inkrafttreten des Mietspiegels 2011 bereits mehr als 100 000 Mieterhöhungen zugestellt wurden.

Aus den 5000 beim Mieterverein überprüften Mieterhöhungen ergab sich Folgendes: Bei rund einem Drittel aller Mieterhöhungsverlangen werden die rechtlichen Möglichkeiten durch die Vermieter voll ausgeschöpft. Bei knapp einem Viertel aller Mieterhöhungsforderungen wird die ortsübliche Vergleichsmiete überschritten. Die Mieter haben hier der Mieterhöhung nur teilweise oder gar nicht zugestimmt. Durchschnittlich wurden 10,5 Prozent mehr Miete gegenüber den bisherigen Mieten gefordert. Bei sieben Prozent aller Mieterhöhungen wird der Oberwert des Mietspiegels überschritten.

Mehr Mieterschutz gefordert

Aus der aktuellen Mieterhöhungswelle und auch aufgrund bisheriger Erfahrungen fordert der Berliner Mieterverein deshalb vom Senat: Mehr Schutz der Mieter vor unberechtigten Forderungen! Das Mietrecht bietet für Wohnungsmärkte unter Anspannung, wie derzeit in Berlin, keinen hinreichenden Mieterschutz. Deshalb sollte die Kappungsgrenze auf 15 Prozent in vier Jahren gesenkt werden und eine wirksame Beschränkung der Miethöhe bei Wiedervermietung auf zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete eingeführt werden. (Bislang kann bei Neuvermietung verlangt werden, »was der Markt hergibt.«)

Mieterhöhungen wegen Modernisierung und Energieeinsparung führen zu einem deutlichen Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese Kostenumlage ist systemfremd. Sie muss entfallen und durch einen Anreiz zur Energieeinsparung ersetzt werden. Der Berliner Mietspiegel muss so verbindlich geändert werden, dass der Oberwert der Mietspiegelspanne nicht überschritten werden darf.

Typische Fehler der Vermieter

Nun noch einige Hinweise auf typische Fehler der Vermieter: Das Erhöhungsverlangen richtet sich nicht an alle Mietvertragsparteien. Es wird beispielsweise übersehen, dass ein bereits vor Jahren ausgezogener Mitmieter immer noch Partner des Mietverhältnisses ist. Ist nicht sämtlichen im Mietvertrag aufgeführten Mietern die Mieterhöhungserklärung zugegangen, ist die Mieterhöhungserklärung formal unwirksam. Der Mieter braucht nicht zu reagieren, es sei denn, dass eine Bevollmächtigungsklausel im Mietvertrag enthalten ist, wonach die nur einem Mieter zugegangene Willenserklärung als sämtlichen Mietern zugegangen gilt. Das geht aus der Rechtsprechung hervor.

Wichtig für vor dem 3. Oktober 1990 geschlossene DDR-Mietverträge: Nach § 100 Abs. 3 des ZGB der DDR wurden bei Ehepaaren beide Mieter, auch wenn nur einer von beiden den Mietvertrag unterschrieben hatte. Dabei bleibt es auch, selbst wenn das Ehepaar nicht mehr zusammen wohnt.

Es kommt auch vor, dass Vermieter den § 558 a Abs. 3 BGB nicht kennen (Form und Begründung einer Mieterhöhung) oder dass bei der Begründung der Mieterhöhung mit Vergleichswohnungen vergessen wird, das entsprechende Mietspiegelfeld anzugeben.

Hintergrund: Will der Vermieter die Mieterhöhung mit Vergleichswohnungen begründen, muss er gleichwohl im Zustimmungsverlangen auf den entsprechenden (niedrigeren) Wert des qualifizierten Mietspiegels hinweisen (§ 558 a Absatz 3 BGB), sofern nicht das entsprechende Feld des Berliner Mietspiegel ein Leerfeld oder »Sternchenfeld« ist. Unterbleibt dieser Hinweis beziehungsweise fehlt eine Begründung für die Nichtanwendbarkeit des qualifizierten Mietspiegels auf die betreffende Wohnung, so ist das Mieterhöhungsverlangen formell unwirksam.

Drittmittel sind abzuziehen

Schließlich müssen Vermieter laut § 558 Abs. 5 BGB Drittmittelabzüge berücksichtigen. Mieter in Altbauten, die in den vergangenen Jahren mit öffentlichen Mitteln modernisiert wurden, wundern sich nicht selten, dass der Vermieter bei der Mieterhöhung mit dem Mietspiegel die öffentlichen Mittel nicht berücksichtigt oder nicht erwähnt. Die Folge dieser Unterlassung: Die gesamte Mieterhöhung ist dann unwirksam (BGH-Urteil vom 25.Februar 2004, Az. VIII ZR 116/03 und BGH vom 23. Juni 2004, Az. VIII ZR 285/03).

Der Mieter (wenn er denn Bescheid weiß) kann die Mieterhöhung ignorieren. Mit der Berücksichtigung der Drittmittel soll erreicht werden, dass bei einer Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete Leistungen aus öffentlichen Haushalten in jedem Fall dem Mieter zugute kommen.

Es gibt also viele Zusammenhänge, die ein Mieter allein kaum erkennen kann, weshalb eine Beratung bei Mietervereinen oder Experten immer ratsam ist.

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