Mehrwertsteuererhöhung und neue Ausgabenkürzungen
Zweites Sparpaket in Frankreich in drei Monaten
Warum die Einsparungen und Mehreinnahmen von jährlich zehn Milliarden Euro, die er Ende August verkündet hatte, jetzt nicht mehr genügen und durch neue Maßnahmen ergänzt werden müssen, die sich für 2012 auf weitere sieben Milliarden Euro belaufen und bis 2016 auf 17,4 Milliarden Euro summieren, begründete der Premier damit, dass die Wachstumserwartungen für 2012 seinerzeit bei 1,75 Prozent lagen und inzwischen auf bestenfalls ein Prozent heruntergeschraubt werden mussten. Was er in seinem Fernsehauftritt zu erwähnen vermied, ist die Drohung von zwei Ratingagenturen vom September, Frankreich sechs Monate lang unter eine »verstärkte Beobachtung« zu stellen und dann über die Berechtigung der AAA-Benotung zu entscheiden. Diese Höchstnote, die nur sechs Länder in Europa haben und die ihnen auf den Finanzmärkten Kredite zu minimalen Zinsen sichert, will die Regierung um jeden Preis verteidigen. Entsprechend weist das neue Sparprogramm alles auf, was die Analysten der Finanzmärkte schätzen: Kürzungen im öffentlichen Dienst und Steuererhöhungen für die breite Masse bei Bewahrung der Steuerprivilegien für Banken, Konzerne und besserverdienende Franzosen. Entsprechend urteilten die linken Oppositionsparteien, dass sich die Regierung mit Haut und Haar dem Diktat der Finanzmärkte ausliefert.
Zu den Kernpunkten des neuen Sparprogramms gehört die Vorverlegung der Rentenreform mit dem auf 62 Jahre hochgesetzten Renteneinstiegsalter, die schon 2017 statt 2018 in Kraft tritt. Das bringt allein 1,4 Milliarden Euro Einsparungen pro Jahr. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, der bisher 5,5 Prozent betrug, wird auf 7 Prozent heraufgesetzt, was Fillon als »Angleichung innerhalb der EU« zu rechtfertigen versucht und dabei auf Deutschland verweist, wo der ermäßigte Satz auf gleichem Niveau liegt. Betroffen sind das Hotel- und Gastgewerbe, die Bauwirtschaft und der Baumaterialhandel, aber auch Buchpreise und Kinokarten. Ausgenommen wurden lediglich die Grundnahrungsmittel, für die die Mehrwertsteuer bei 5,5 Prozent bleibt. Sie auch einzubeziehen, war sechs Monate vor den Präsidentschaftswahlen wohl doch zu riskant.
Die Stufen bei der Einkommenssteuer werden leicht verändert, was für viele Steuerzahler die Konsequenz haben wird, dass sie schneller in die nächsthöhere Klasse geraten und mehr zahlen müssen. Der Staatshaushalt kann sich davon pro Jahr 1,6 Milliarden Euro Mehreinnahmen erhoffen.
Damit ist das Image eines Präsidenten, der keine Steuern erhöht, wie es Sarkozy 2007 versprochen hatte, definitiv dahin.
Zudem werden das Kinder- und Wohngeld und andere soziale Leistungen künftig nicht mehr an die Inflationsrate gekoppelt und entsprechend erhöht, sondern nur noch in Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum. Das ist nach Überzeugung der Gewerkschaften eine eindeutige Verschlechterung der Kaufkraft für die sozial schwächsten Bürger. Um das negative Bild zu korrigieren, das die Franzosen von ihrer Regierung haben, kündigte Premier Fillon an, dass die Gehälter der Minister und sein eigenes solange auf dem jetzigen Stand eingefroren werden, bis Frankreich wieder einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen kann.
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